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Ungarns Szigetvár für Geschichtsinteressierte und Lokal­patrioten

Szigetvár im Südwesten Ungarns ist zu einem touristischen Ziel für Geschichtsinteressierte und Lokal­patrioten geworden.
Szigetvár im Südwesten Ungarns ist zu einem touristischen Ziel für Geschichtsinteressierte und Lokal­patrioten geworden. beigestellt
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Des Prächtigen Tod wurde verheimlicht, sein Gegner enthauptet: Nationen und Freundschaft.

Die Zrinyigasse in Wien Brigittenau hat wie viele Gassen in unserem Land ihre ehrlichen Ursprungsnamen – Quergasse, später Große Gärtnergasse – zugunsten eines männlichen Kriegs­helden eingebüßt. Die Umbenennung 1900 sollte wohl in der Doppelmonarchie gute Stimmung machen. Zrínyi ist die magyarisierte Namensform des unerschrockenen Nikolaus Šubić Zrinski (1508/18–1566), eines kroatisch-ungarischen Feldherrn, der zum Ban (ein vizekönigähnlicher Führertitel) von Kroatien und Slawonien aufgestiegen war.

1566 belagerten die osmanischen Truppen des 72-jährigen Süleyman I., des Prächtigen, die Burg Szigetvár (im Südwesten Ungarns). Nachdem er während der Eroberung an Altersschwäche starb, hielt sein Großwesir den Sultanstod 48 Tage geheim, um die Truppenmoral hochzuhalten. Sein Gegner Zrínyi indes wagte mit anderen in hoffnungsloser Lage einen suizidalen Ausbruch aus der Burg, in dessen Folge er verletzt, gefangen und enthauptet wurde. Süleyman war inzwischen unter seinem Zelt bestattet worden. Laut Legende kamen sein einbalsamiertes Herz samt Innereien in einen Goldtopf – total unauffindbar in späteren Jahrhunderten.

Kühler Wind weht über das ehemalige Schlachtfeld außerhalb Szigetvárs, durch den von zwei überdimensionierten Skulpturschädeln geprägten „Park der ungarisch-türkischen Freundschaft“. Da sind die beiden: Zrínyi prallwangig, Süleyman mager, wie mit falschem Maßstab gezeichnet. Die kahle Anlage – eine türkische Idee – mit muslimischem Brunnen hat nichts mit den zeitgenössischen Möchtegerndiktatoren der beiden Länder zu tun, sie stammt aus 1994, als der 500. Geburtstag Süleymans anstand.

Pünktlich zum 450-Jahr-Jubiläum der Schlacht eruierte ein Archäologieteam der Uni Pécs die Begräbnisstätte, einst mit Erinnerungsmausoleum, über die von christlicher Seite kurz nach der Rückeroberung 1688 eine Kirche errichtet worden war. Die Blaskapellen-Politshow der Türkei und Ungarns sollte beiden Seiten zum Vorteil gereichen, handfeste touristische Gründe spielten mit, zunehmend reisen geschichtsinteressierte nationalstolze türkische Lokal­patrioten nach Szigetvár. 

("Die Presse Schaufenster" vom 28.04.23)

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