Energiegemeinschaften

Passive Energieverbraucher werden zu aktiven Energiebürgern

Mit technologischem Fortschritt allein ist die Energiewende nicht zu schaffen. Gefragt ist die Mitarbeit der Menschen. Um sie zu überzeugen, braucht es allerdings gebündelte Anstrengungen – auch auf nationaler Ebene, wie das EU-Projekt „EC2“ zeigt.

Rund achtzig Prozent der Haushalte in der EU haben das Potenzial, bis 2050 aktive Akteurinnen und Akteure im Energiesystem zu sein. Eine Möglichkeit, sich zu engagieren, sind Energiegemeinschaften (EG), also der nachbarschaftliche Zusammenschluss zur Produktion und Verwertung von Energie. Derzeit sind bei der österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften 119 Projekte registriert, in denen Strom, Wärme oder Gas aus erneuerbaren Quellen erzeugt, gespeichert, verbraucht und verkauft wird, sogenannte EEGs. Mitglieder können Privatpersonen genauso wie Gemeinden, lokale Behörden oder KMU sein.

Wie aber bekommt man Menschen dazu, sich für erneuerbare Energie starkzumachen? Diesen Fragen gehen Forscherinnen am Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) in Wien nach. Wegweisend dabei ist das Konzept der „Energy Citizenship“ (Energie-Bürgerschaft). „Es legt den Fokus auf die aktive Rolle, die Bürgerinnen und Bürger in der Energiewende spielen“, erklärt die Psychologin Elisabeth Unterfrauner. „Damit soll nicht die Verantwortung auf sie abgewälzt werden, sondern deutlich gemacht werden, wie notwendig ihr Beitrag ist.“ Grundsätzlich sei Energy Citizenship als Kontinuum zu verstehen, betont sie, das schon beim Bewusstsein für die Thematik beginne.

Pioniere arbeiten als Praxispartner mit

Welche gesellschaftlichen, aber auch rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen es braucht, damit die Dekarbonisierungsziele der EU erreicht werden, wird im Projekt „EC2“ erarbeitet. Unterfrauner ist gemeinsam mit ihren Kolleginnen Judith Feichtinger und Maria Schrammel am ZSI für die Koordination des 2021 gestarteten Horizon-2020-Vorhabens zuständig. Wissenschaftliche Partner sind die Unis Graz, Leipzig, Groningen (Niederlande) sowie die Wirtschaftsuniversität Breslau (Polen). Darüber hinaus steuern die drei Gemeinden Groningen, Scalenghe (Italien) und Prusice (Polen) sowie erfolgreiche Energiegemeinschaften wie das niederländische Buurkracht und das italienische Ecovillaggio Torri Superiore Praxiserfahrung bei.

Erste aus den Forschungsergebnissen abgeleitete Empfehlungen wurden kürzlich in einem Policy-Brief publiziert (Erstautor: Daniel Botha). Das Konzept unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Öffentlichkeit, um die Energieziele zu erreichen. Ohne Partizipation der Menschen gehe der Umstieg auf erneuerbare Energien jedenfalls nicht schnell genug, heißt es darin. Doch diese benötigen mehr strukturelle Unterstützung. In dem Bericht wird festgehalten, dass die EU-Mitgliedstaaten ohnehin verpflichtet sind, günstige Rahmenbedingungen für eine aktive Bürgerbeteiligung an der Energiewende zu schaffen. Demokratische Teilhabe und Zugang zu erneuerbaren Energien seien jedoch zu wenig, gefragt seien Mitgestaltung und Besitz, betont ZSI-Nachhaltigkeitsforscherin Feichtinger: „Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf erneuerbare Energie.“

Das EU-Gesetzespaket „Clean Energy“ trage dem teilweise Rechnung, allerdings – so das Fazit im Policy Brief – spiegle der breitere regulatorische und wirtschaftliche Rahmen immer noch weitestgehend eine Top-down-Beziehung zwischen Erzeugenden und Verbrauchenden mit unzureichender aktiver Beteiligung der Öffentlichkeit wider. Die Richtlinie wird zudem recht unterschiedlich in nationale Gesetzgebung übersetzt. „Man muss sich nur die existierenden Solarpaneele anschauen“, sagt Unterfrauner: „Obwohl die Sonnenstunden in Deutschland weniger sind als in Spanien, gibt es hier bedeutend mehr Fotovoltaikanlagen.“ Dies sei etwa ein Hinweis auf unterschiedliche Anreize und Zugänglichkeit zu Förderungen. Was es brauche, so Feichtinger und Unterfrauner, seien klare Informationen zur juristischen und technischen Umsetzbarkeit von EEGs nach dem One-Stop-Shop-Prinzip, sprich über eine Stelle, mit kurzen und schnellen Abläufen sowie unkomplizierten Netzwerkmöglichkeiten zum Austausch mit Gleichgesinnten.

Mittlerweile ist Halbzeit im dreijährigen Projekt, die Erkenntnisse werden nun in Onlinefortbildungen der eigens gegründeten Community Energy Academy an Interessierte weitergegeben.

Lexikon

EC2 ist ein EU-Projekt, in dem anhand von Energiegemeinschaften in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Psychologie Wissen für eine von Bürgerinnen und Bürgern angeführte Energiewende (Energy Citizenship) gesammelt wird.

Die Community Energy Academy ist eine im April gestartete Online-Fortbildung, die allen Interessierten in sechs – auch einzeln buchbaren – Modulen praktische Werkzeuge und Vernetzungsmöglichkeiten bietet (kostenlose Registrierung: communityenergyacademy.eu). Die nächste Livesession findet am 31. Mai statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2023)

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