Aufsehen. Ende des Jahres soll die sechste und letzte Staffel von „The Crown“ ausgestrahlt werden. Die Serie sorgte für viel Wirbel, insbesondere in Großbritannien. Zwar ist die Handlung fiktional, trotzdem orientiert sich die Handlung an den Leben der britischen Royals.
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Einmal Prinz sein: Royale TV-Formate

Kaiserinnen, Könige und jene, die es werden sollen, sind weiterhin beliebte Hauptfiguren in Film und Fernsehen. Ein Überblick.

Egal wann und ob die Bewohner eines Landes die Monarchie hinter sich gelassen haben oder nicht, klammheimlich wollen sie doch alle einmal im Leben Prinz oder Prinzessin sein. Darauf lässt zumindest das kollektive Sehverhalten schließen. Denn gerade in dieser besonders krisengebeutelten Zeit, wo jeder und jede von der Teuerung betroffen ist und die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht, sucht das Fernseh- und Kinopublikum Zerstreuung im Schoße der Queen. Besonders verwunderlich ist das für Film- und Medienwissenschaftlerin Leonie Kapfer nicht, durchaus allerdings kritikwürdig: „Gerade in einem Moment, wo so viele Krisen zusammenkommen und der Spätkapitalismus scheinbar ins Straucheln gerät, könnte man auch versuchen, in die Zukunft zu denken, sich eine neue Utopie auszumalen. Aber stattdessen schaut man lieber mit einem ­nostalgisch verklärten Blick zurück in die Vergangenheit.“

Auf Netflix wird man gleich mehrfach fündig: „The Crown“ ist wohl der prominenteste Vertreter, der sich an den Verwerfungen und Skandalen im britischen Königshaus abarbeitet, Jugenddramen bieten „Young Royals“, „Royalteen“ oder „Blood, Sex and Royalty“, „The Royals“ folgt in Seifenopern-Manier einer fiktiven Adelsfamilie, „Bridgerton“ ist wiederum ein divers gecastetes, anachronistisches Historiendrama, und nicht zuletzt gibt es da noch die weichgespülte Doku über die royalen Abtrünnigen Harry und Meghan.

Ich gehör’ nur mir. Gequält und eingeengt ist die Figur der Sisi in Marie Kreutzers „Corsage“. Gleichzeitig ringt sie um ihre Unabhängkeit, wehrt sich gegen die königlichen Vorgaben und sagt sich immer mehr von Franz Josephs Bevormundung los.
Ich gehör’ nur mir. Gequält und eingeengt ist die Figur der Sisi in Marie Kreutzers „Corsage“. Gleichzeitig ringt sie um ihre Unabhängkeit, wehrt sich gegen die königlichen Vorgaben und sagt sich immer mehr von Franz Josephs Bevormundung los.

Auch eine österreichische Adelige regte in kürzester Zeit gleich zu drei Produktionen an: Vom Leben der Kaiserin Elisabeth ließen sich die ebenfalls auf Netflix abrufbare Serie „Die Kaiserin“ und die beiden Kinofilme „Corsage“ von Marie Kreutzer und jüngst „Sisi & Ich“ von Frauke Finsterwald inspirieren. „Als Reaktion auf einen wiedererstarkten Feminismus suchen Filmemacherinnen auch nach historischen Figuren, die man noch einmal feministisch neu inszenieren kann“, so Kapfer.

Dabei entstünden zum Teil auch komplexere Frauenfiguren, man denke an die Queen in „The Crown“ oder auch Sisi in Filmen wie „Corsage“ oder „Sisi & Ich“. „Es ist eine sehr glamouröser, ‚shiny‘ Feminismus, der glänzen soll. Da werden auch mal die Ecken und Kanten abgeschliffen, und Fragen rund um Intersektionalität, Klasse und Diversität fallen weg“, so die Medienwissenschaftlerin. Gleichzeitig sei eine so „empowerte“ Darstellung der Sisi, wie sie etwa in „Die Kaiserin“ inszeniert wird, zum Teil auch problematisch, weil sie einen gewaltvollen und diskriminierenden Normalzustand der jeweiligen Zeit geschönt wiedergibt und damit abschwächt.

IN der Ferne. Einen queeren Blick wirft die Sisi-Verfilmung „Sisi & Ich“ auf die Kaiserin. Ausnahmsweise erzählt aus Sicht ihrer Hofdame, Gräfin Irma (Sandra Hüller), die sich in die Kaiserin verliebt, liegt der Drehort fernab des Hofs in Griechenland, Sisi genießt ihre Freiheit.
IN der Ferne. Einen queeren Blick wirft die Sisi-Verfilmung „Sisi & Ich“ auf die Kaiserin. Ausnahmsweise erzählt aus Sicht ihrer Hofdame, Gräfin Irma (Sandra Hüller), die sich in die Kaiserin verliebt, liegt der Drehort fernab des Hofs in Griechenland, Sisi genießt ihre Freiheit.(c) Bernd Spauke

Eskapismus

Die Flucht in eine glamourösere Welt, eine ohne finanzielle Schwierigkeiten, eine der schönen, aufwendigen Kostüme und prunkvollen Paläste ist wohl einer der Hauptbeweggründe vieler Zuschauerinnen und Zuschauer, einzuschalten. Dem aufwendigen und detailverliebten Bühnen- und Kostümbild in Produktionen wie „The Crown“, „Corsage“ oder „Bridgerton“ kann man sich ehrlicherweise auch kaum erwehren.

»Mit einem nostalgisch verklärten Blick schauen wir in die Vergangenheit. «

Gleichzeitig zeigen sich die erwähnten Formate äußerst selten klassenbewusst oder kritisch gegenüber dem Adel. „In ‚The Crown‘ etwa wird diese Perspektive zumeist aus strategischen Gründen ausgeblendet. Sonst könnte man so viel Prunk und Glamour nicht so unhinterfragt darstellen“, sagt Kapfer, die sich in ihrer Arbeit besonders mit der Darstellung von Geschlecht und Klasse in der Populärkultur beschäftigt. Am ehesten nähert sich das schwedische Format „Young Royals“ den Unterschieden sozialer Schichten an.

Junge Liebe. Die schwedische Dramaserie „Young Royals“ erzählt die intensive Liebesgeschichte des jungen Prinzen Wihelm (Edvin Ryding) mit seinem Mitschüler Simon (Omar Rudberg). Ein seltener Stoff, bedenkt man das un­­­lockere Verhältnis des Adels zur Homosexualität.
Junge Liebe. Die schwedische Dramaserie „Young Royals“ erzählt die intensive Liebesgeschichte des jungen Prinzen Wihelm (Edvin Ryding) mit seinem Mitschüler Simon (Omar Rudberg). Ein seltener Stoff, bedenkt man das un­­­lockere Verhältnis des Adels zur Homosexualität.

Die Serie begleitet die fiktionale Figur eines jugendlichen Prinz Wilhelm in seinem schulischen Alltag. Dieser verliebt sich in einen jungen Mann aus einer finanziell benachteiligten Familie mit Migrationshintergrund. „Der subversive Moment der Serie ist, dass sich der junge Prinz für die Liebe und gegen seine Familie sowie das System, in dem er aufgewachsen ist, stellt. Trotzdem werden die Klassenunterschiede nicht anhand von Reibungen und Spannungen, sprachlicher und kultureller Unterschiede dargestellt, sondern vielmehr anhand einer Liebesgeschichte, innerhalb derer diese Differenzen mit genug Gefühl einfach zu überwinden sind“, sagt Kapfer.

Reibungslos

In ihren historischen Settings an diversen Höfen können sich die meisten dieser Produktionen auch vor dem Thema Diversität wegducken. Auch hier tut sich die Serie „Young Royals“ als Positivbeispiel hervor, spielt sie doch in einem modernen Schweden und zeigt sich um ein diverses Casting bemüht. Das Historiendrama „Bridgerton“, das aus dem gleichen Produktionshaus wie „Grey’s Anatomy“ oder „How to Get Away with Murder“ stammt, ist das Thema offensiver angegangen.

Drama. Die US-Serie ­„Bridgerton“ behandelt augenzwinkernd und sexuell aufgeladen romantische Verstrickungen an einem fiktionalen englischen Hof, der rassistische Segregation früh hinter sich gelassen hat. Fazit: Gute seichte Unterhaltung mit schönen Kostümen.
Drama. Die US-Serie ­„Bridgerton“ behandelt augenzwinkernd und sexuell aufgeladen romantische Verstrickungen an einem fiktionalen englischen Hof, der rassistische Segregation früh hinter sich gelassen hat. Fazit: Gute seichte Unterhaltung mit schönen Kostümen.(c) LIAM DANIEL/NETFLIX (LIAM DANIEL/NETFLIX)

Der fiktionalisierte englische Hof der Serie hat rassistische Vorurteile früh überwunden, der Castingprozess war deklariert als „color-conscious“, ging also mit einem besonderem Fokus auf Diversität vonstatten. „Im Sinn einer inklusiveren Sichtbarkeitspolitik ist das Casting durchaus gelungen, finde ich“, so Kapfer. „Allerdings scheitert die Serie an der Erklärung.“ Der Hof sei deshalb divers, weil der König sich in eine schwarze Frau verliebt hatte. Wieder siegt Liebe über soziale Unterschiede. „Die Kämpfe und auch die Gewalt, die Veränderung braucht, werden dabei ausgeblendet, und die Serie wird zu einer bürgerlichen Romantikfantasie“, sagt Kapfer.

Hinsichtlich Charles’ Krönung lohnt sich zu guter Letzt noch ein kurzer Blick auf dessen Darstellung in „The Crown“. Wird er als junger Mann und vor der Scheidung von Prinzessin Diana noch als etwas überheblich, rücksichtslos, aber durchaus komplex dargestellt, scheint sich die Serie danach beinahe zu korrigieren und lässt ihn in der fünften Staffel zu einem umsichtigen, gereiften Mann werden. „Die Komplexität kam der Figur dabei abhanden. Da hätte ich mir mehr Nuancen gewünscht“, sagt Kapfer. Auf die darf man nun also hoffen in Charles’ neuer Rolle als König: Man wünscht ihm, dass seine Besetzung fürs Erste unumstritten bleibt.

Rollenspiel. Viel diskutiert wurde die Besetzung der Königsfamilie in „The Crown“. Bereits drei Schauspielerinnen verkörperten die Queen: Claire Foy, Olivia Colman und Imelda Staunton. Josh O’Connor und Dominic West (im Bild) boten indessen König Charles dar.
Rollenspiel. Viel diskutiert wurde die Besetzung der Königsfamilie in „The Crown“. Bereits drei Schauspielerinnen verkörperten die Queen: Claire Foy, Olivia Colman und Imelda Staunton. Josh O’Connor und Dominic West (im Bild) boten indessen König Charles dar. (c) Keith Bernstein (Photo Credit: Keith Bernstein)

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