Die Umwege einer OMV-Expertise

Gas. Die grüne Energieministerin fordert die Verstaatlichung der OMV-Gassparte und stützt sich dabei auf zwei Experten, die schon vor Monaten einen Korb vom Finanzminister bekommen haben.

Ein kurzfristig anberaumtes Hintergrundgespräch mit Journalisten am Freitag vergangener Woche, und die Aufregung war perfekt. Vor allem im Finanzministerium von Magnus Brunner. Zu dem Hintergrundgespräch hatte nämlich die grüne Energieministerin Leonore Gewessler eingeladen – und das Finanzministerium erst unmittelbar davor über dessen Inhalt informiert. Sie wusste wohl, warum. Vor den anwesenden Journalisten forderte Gewessler nämlich die Verstaatlichung der OMV-Gassparte. Und das war koalitionsatmosphärisch dann doch ein starkes Stück.

Gut, Leonore Gewessler hat die OMV-Teilverstaatlichung nicht nach eigenem Gutdünken propagiert – sie beruft sich auf einen „Maßnahmenplan“ zweier Experten. Das sind Walter Boltz und Gerhard Roiss. Der eine, Boltz, war von 2002 bis 2016 Chef des Energieregulators E-Control. Der andere, Roiss, war von 2001 bis 2015 im OMV-Vorstand – bis 2011 als dessen stellvertretender Vorsitzender, bis 2015 als CEO.

Walter Boltz ist seit August 2022 strategischer Berater für die Energieversorgung im Klimaschutzministerium – weil er nach Beginn des Ukraine-Kriegs wiederholt die Zögerlichkeit des Ministeriums beim Abbau der Abhängigkeit von Russland kritisiert hat. Gewessler hat ihn also gleichsam mit ins Boot geholt. Und damit indirekt auch Gerhard Roiss, wenn auch unentgeltlich.

Er kenne Gerhard Roiss gut, erzählt Boltz der „Presse“. Und die Energieministerin habe einen Plan gefordert, um die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas abzubauen. Also erkundigte sich Boltz bei Roiss, ob er bei diesem Plan nicht mitmachen wolle.

Er wollte. Schließlich ärgert sich Roiss schon länger über die Zustände in der OMV nach seinem Abschied dort. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs äußerte er wiederholt lautstark Kritik an den langfristigen OMV-Verträgen mit der russischen Gazprom; die starke Abhängigkeit von russischer Energie sei einer „Gruppe von Putin-Verstehern“ in Österreich zu verdanken, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Profil“ im März 2022. Und er legte drei Monate später nach: Beim Gas fehle es in Österreich an einem staatlichen Versorgungsauftrag. Er verwies auf den mehrheitlich staatlichen Verbund-Konzern, der einen solchen Versorgungsauftrag für Strom hat. Man sollte also „die beiden leitungsgebundenen Energien mit einem Versorgungsauftrag in einem Unternehmen konzentrieren“. Also: die Gassparte raus aus der OMV.

Nicht sonderlich verwunderlich also, dass der von Gewessler vergangenen Freitag präsentierte „Maßnahmenplan“ eine „zeitlich befristete Übertragung des OMV-Gasgeschäfts in die Staatsholding Öbag“ vorsieht. Diese Verstaatlichung sei aus Gründen des koordinierten Ausstiegs aus russischem Gas notwendig, heißt es im Plan.

Das kann man befürworten oder auch ablehnen – auf Finanzminister Brunner trifft Variante Nummer zwei zu. Was den Verantwortlichen für den „Maßnahmenplan“ eigentlich bekannt sein sollte. Boltz und Roiss haben ebendiesen Plan nämlich bereits dem Finanzminister präsentiert. Das war im vierten Quartal 2022, wie Boltz einräumt. „Wir haben dem Finanzminister damals die Idee präsentiert, wonach das OMV-Gasgeschäft teilweise ausgegliedert werden soll, um einen Versorgungsauftrag erfüllen zu können“, sagt Boltz. Magnus Brunner war damals schon skeptisch – wohl auch, weil er sich eine Beratung durch Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss nicht antun wollte. Das hätte nur zusätzliches Öl ins ohnehin lodernde Feuer geschüttet. Denn Roiss und der amtierende OMV-Chef Alfred Stern – das ist nicht unbedingt eine Geschichte freundschaftlicher Verbundenheit.

Finanzminister Brunner entschied sich also für den protokollarisch einwandfreien Weg: Öbag-Chefin Edith Hlawati wurde ersucht, „alle Optionen“ zu prüfen, um das leidige Versorgungsthema ein für alle Mal vom Tisch zu haben. Die Öbag prüfte also, gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen McKinsey.

Herausgekommen ist ein recht eindeutiges Nein des Finanzministers zur Verstaatlichung des OMV-Gasgeschäfts. Dafür sprach er sich für eine staatliche Gaskoordinierungsstelle, die als Anlaufstelle fungieren und den Bedarf an Gas im Lande bündeln soll. Dieser Plan, fast ein halbes Jahr alt, ist freilich immer noch nicht realisiert. Angeblich liegt die Sache bei der Finanzprokuratur des Wolfgang Peschorn und wird immer noch ausgiebig analysiert. Egal. Eine Verstaatlichung der OMV-Gassparte war für den Finanzminister jedenfalls vom Tisch.

Bis sie von Leonore Gewessler wieder aufgetischt wurde.

Dem ohnehin einigermaßen strapazierten Klima zwischen Brunner und Gewessler – die Gesprächsbasis zwischen der Ministerin und „ihrem“ ehemaligen Staatssekretär soll eher ausbauwürdig sein – hat dieser Vorfall nicht sonderlich gutgetan. Zumal Gewessler mit ihrem „Maßnahmenplan“ just der Staatsholding Öbag eine Rolle zudachte. Und ebendiese Öbag ressortiert zum Finanzminister. Koalitionstechnisch ist dies einigermaßen unüblich, um nicht zu sagen: übergriffig. Kommt jedenfalls nicht gut an. Ganz abgesehen davon, dass die Öbag ausschließlich Staatsbeteiligungen verwaltet und kein operatives Managementvehikel ist.

Doch Experte Walter Boltz bleibt dabei: Die Öbag sollte gemäß seinem Plan den Gasbereich der OMV als Tochterunternehmen ins Portfolio nehmen. Die von Finanzminister Brunner propagierte Koordinierungsstelle sei „zu wenig“, da Transportverträge – also durchaus „operative Dinge“ – zu tun seien.

Dass Boltz, der stets als ÖVP-nahe gegolten hat, nun der Teilverstaatlichung das Wort redet und damit das Argumentarium der grünen Ministerin liefert, ist freilich ungewöhnlich. Boltz stimmt zu. Und meint: „Wir leben ja auch in ungewöhnlichen Zeiten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2023)

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