Kunstwerte

Ein Meisterwerk teilen

Explodierende Preise am Kunstmarkt machen Akquisitionen öffentlicher Museen immer schwieriger. Eine Lösung sind gemeinsame Ankäufe.

Joshua Reynolds „Portrait of Mai (Omai)“ gilt als eines der wichtigsten frühen britischen Porträts einer farbigen Person und weckte das Begehren der Londoner National Portrait Gallery. Doch die 50 Millionen Pfund, die der irische Geschäftsmann John Magnier dafür verlangte, konnte die Londoner Institution selbst mit einer Unterstützung in der Höhe von zehn Millionen Pfund durch den National Heritage Memorial Fund nicht aufbringen. Doch das Gemälde sollte unbedingt in Großbritannien bleiben und für die Öffentlichkeit gesichert werden. Also entschied sich das Museum zu einem ungewöhnlichen Deal: einer gemeinsamen Akquisition mit einem zweiten Museum. Das Getty Museum in Los Angeles hatte ebenfalls Interesse an dem Bild angemeldet und war offen für einen gemeinsamen Erwerb. Die 50 Millionen Pfund werden geteilt. Vermittelt hat das Geschäft das Auktionshaus Christie's. Die National Portrait Gallery zeigt das Gemälde ab 22. Juni. Im Getty wird es erstmals 2026 ausgestellt und verbleibt dort bis zum Jahr 2028, wenn Los Angeles Austragungsort der Olympischen Spiele ist.

Unleistbar. Für viele Museen ist es kaum noch möglich, wichtige Werke zu erwerben, da die Preise am Kunstmarkt ein Niveau erreicht haben, das die Finanzkraft öffentlicher Institutionen übersteigt. So verschwinden viele bedeutende Werke in Privatbesitz. Geteilte Akquisitionen sind eine innovative Möglichkeit, solche Werke für die Öffentlichkeit zu sichern.

In Großbritannien ist es nicht der erste geteilte Ankauf. Im Jahr 2009 kauften die National Gallery in London und die National Galleries of Scotland gemeinsam Tizians „Diana und Aktaion“. Drei Jahre später folgte der gemeinsame Erwerb von „Diana und Kallisto“ desselben Künstlers. Es hat aber auch schon länderübergreifende Deals gegeben. Die erste spektakuläre gemeinsame Akquisition über drei Länder hinweg war 2003 die riesige Videoinstallation „Five Angels for the Millennium“ von Bill Viola, für die sich die Tate in London, das Centre Pompidou in Paris und das Whitney Museum of American Art in New York zusammengetan haben. Initiiert wurde die Kooperation von Maxwell Anderson, damals Direktor des Whitney. Ebenfalls für Aufsehen sorgte 2016 die Einigung der niederländischen und französischen Regierungen, gemeinsam die beiden Porträts „Maerten Soolman“ und dessen Frau „Oopjen Coppit“ von Rembrandt zu erwerben, um zu verhindern, dass die Museen der beiden Länder in einen Bieterkrieg geraten. Jetzt teilen sich die Werke der Louvre und das Rijksmuseum.

eva.komarek@diepresse.com
www.diepresse.com/kunstwerte

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.