Die Ich-Pleite

Sympathie waltet ungerecht

Carolina Frank
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Der erste Eindruck zählt. Vielleicht lassen sich Beziehungen zu einem späterem Zeitpunkt dennoch verbessern.

Liebe auf den ersten Blick gibt es auch bei Chefs. Also vielleicht nicht gerade Liebe. Aber zumindest Sympathie. Wenn man beim Führungskräfteseminar gut aufgepasst und einen Trainer gehabt hat, der einem die richtigen Tipps gegeben hat. Zum Beispiel, wie wichtig ein guter erster Eindruck sein kann.

Ein ­freundliches Händeschütteln bei der Begrüßung, ein Lächeln oder gar einen Kaffee anbieten, und das Gehirn des zukünf­tigen Teammitglieds wird einen als Sympathieträger abspeichern. Sollte es irgendwann doch zu einer Trennung kommen, macht man dasselbe. Mehr braucht man nicht, um in guter Erinnerung zu bleiben. Denn der erste und der letzte Eindruck ­zählen doppelt.

Dazwischen darf man tun, was man will. Eine halbe Stunde zu spät zum Meeting kommen und dann keine Zeit haben. Gähnen, wenn einem die Leute ihre Ideen präsentieren, die Finger­nägel säubern oder mit dem Smartphone spielen und sie danach stundenlang zuschauen ­lassen, wie man mit sich selbst brain­stormt. Bevor man schließlich aufsteht und sagt: „Morgen will ich das auf ­meinem Schreibtisch sehen.“ Auch wenn sie nicht wissen, was „das“ ist. Und umgekehrt wird man seinen Leuten mit einem verpatzten Auftritt nie richtig sympathisch. Auch wenn man sie ausreden lässt und schon am zweiten Tag jeden Namen richtig buch­stabieren kann. So ungerecht ist das menschliche Gehirn.

Aber nach der Kontakthypothese lässt sich die Beziehung trotzdem noch verbessern. Man muss ihnen nur dauernd auf dem Schoß sitzen. Denn die Meinung, die man von jemandem hat, wird angeblich umso positiver, je mehr man mit ihm zu tun hat. Sollte es dennoch schiefgehen, kann man es zum Schluss mit einem herzlichen Handshake ­probieren. Ein goldener wäre noch besser. 

("Die Presse Schaufenster" vom 05.05.23)

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