„Bridgerton"-Ableger

„Queen Charlotte“: Jetzt ist die Königin wirklich schwarz

(c) LIAM DANIEL/NETFLIX
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Das erste Spin-off der erfolgreichen „Bridgerton"-Serie widmet sich einem historischen Stoff: der Ehe zwischen Charlotte und König George III, der wahnsinnig wurde. Und sie stülpt der Originalserie eine explizite politische Botschaft über, die inkonsequent wirkt.

Die Mutter des Königs befeuchtet ihren Daumen mit der Zungenspitze und streicht der Braut ihres Sohnes dann über die Wange, als würde sie etwas wegzuwischen versuchen. „Braun“, nennt sie das Mädchen, das nur wenig später zu Königin Charlotte wird, in deren Abwesenheit: „Wirklich sehr braun.“ Schon in der Netflix-Originalserie „Bridgerton“ wurde die historische Figur der Charlotte von einer Schauspielerin mit dunkler Hautfarbe gespielt (Golda Rosheuvel), nun also auch im ersten Spin-off „Queen Charlotte – Eine Bridgerton-Geschichte“. Als „Bridgerton“ sein Debüt feierte, mitten in der Pandemie im Dezember 2020, gab es eine Debatte über die schwarze Königin und der Frage, ob man historisch weiße Figuren mit Schauspielern mit nichtweißer Hautfarbe besetzen sollte. Die Serie über den britischen Heiratsmarkt zu Jane Austens Zeiten scherte sich in diesem Punkt wenig um historische Korrektheit und erwies sich als wegweisend im „colorblind casting“, viele taten es ihr nach. Und nun? Eine Diskussion gibt es bei der Ablegerserie nicht mehr, stattdessen ist die Hautfarbe diesmal explizit Thema.

Weil der Königshof niemals irrt, geht Königinmutter Prinzessin Augusta (Michelle Fairley, „Game of Thrones“) in die Offensive: Sie lädt eilends reiche schwarze Familien zur Vermählung von Charlotte mit König George III ein und versieht sie mit Adelstiteln. Das „große Experiment“ nennt sie die Vermischung. An deren Gelingen ist nicht nur Augusta interessiert, sondern auch die schwarze junge Lady Agatha Danbury (Arsema Thomas), die man als machtbewusste alte Frau aus dem Original kennt.

Der jungen Königin (India Amarteifio) ist die Neo-Adelige eine Stütze – und ihre Aufklärerin in sexuellen Belangen. Denn George III (Corey Mylchreest) hat sich nach dem „Ja“ vor dem Altar in sein Observatorium zurückgezogen – ohne die Ehe zu vollziehen. Wer „Bridgerton“ kennt, weiß: Die physische und emotionale Annäherung dieser beiden Parteien macht den Kern der Geschichte aus.

Unwahrscheinlich, dass Charlotte schwarz war

Doch spielt Serienschöpferin Shonda Rhimes („Grey's Anatomy“), die alle sechs Folgen selbst schrieb, diesmal nicht mit fiktiven, sondern mit historischen Figuren. Dass Charlotte tatsächlich schwarz war, worüber Gerüchte kursierten, gilt als unwahrscheinlich. Verbürgt ist hingegen Georges psychisches Leiden. Er hatte psychotische Schübe, wahrscheinlich aufgrund der genetisch bedingten Stoffwechselstörung Porphyrie.

Die Symptome traten real erstmals vier Jahre nach der 1761 stattgefundenen Hochzeit auf. In der Serie hat man sie auf die Flitterwochen vorverlegt. Das sorgt für besseres Drama. Um seiner Frau würdig zu werden – beliebtes Thema in Rhimes' Serien – unterzieht er sich einer wahren Folter-Kur eines Arztes aus dem Irrenhaus Bedlam, samt Eiswasserbädern, strenger Diät, einem Stuhl mit Fesseln und quälend langen Rasuren durch den Mediziner. Nach vielen Monologen voller Anklagen und Bekenntnisse (typisch Rhimes) und noch mehr Sexszenen vermag ihn nur die Liebe zu heilen. Kurzfristig. Die Ehe zwischen George und Charlotte galt als glücklich, 15 Kinder hatten sie gemeinsam. Doch war der König am Ende seines Lebens geistig vollends umnachtet.

(c) LIAM DANIEL/NETFLIX

Das spart „Queen Charlotte“ nicht aus. Parallel zur Liebesgeschichte des jungen Königspaares wird in der Serie auch von der alten Königin erzählt, die einsam ist und endlich legitime Enkelkinder haben will (das Wichtigste wird sie bekommen: Victoria). Das „große Experiment“ gilt zu diesem Zeitpunkt schon als gelungen.

Ein Rückschritt für das „colorblind casting“

Für das „colorblind casting“ bedeutet „Queen Charlotte“ einen Rückschritt: Schwarze sind wieder schwarz, Weiße sind weiß. Auch in der Utopie, die hier gezeichnet wird. Die Serie, so vergnüglich sie auch ist, stülpt dem Original eine politische Botschaft über, die im heiter-erotischen Liebesreigen bislang keine Relevanz hatte. Zudem ist sie inkonsequent: Warum setzt man sich nicht in anderen Belangen ebenso über historische Tatsachen hinweg? Warum sterben Frauen immer noch im Kindbett und Homosexuelle müssen sich verstecken? Und warum zählen Reichtum und Adelstitel immer noch mehr als alles andere?

„Queen Charlotte – Eine Bridgerton-Geschichte“, auf Netflix

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