Der ökonomische Blick

Wie der Mietpreisdeckel in der Bevölkerung gesehen wird

(c) IMAGO/Shotshop (IMAGO/Lutz Wallroth)
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Unter Ökonomen besteht ein hoher Konsens darüber, dass die aktuell intensiv diskutierten Mietregulierungen ineffizient sind. Doch welche Effekte dieser Maßnahme sind für die Bevölkerung wichtig und für die hohe Unterstützung in der Öffentlichkeit ausschlaggebend?

Durch den starken Anstieg der Wohnkosten in vielen Regionen Österreichs werden Mietpreiskontrollen aktuell wieder intensiv diskutiert. Auch bei den Landtagswahlen in Salzburg waren sie Wahlkampfthema. Befürworter*innen von Mietregulierungen argumentieren unter anderem, dass diese eine wirksame Maßnahme gegen unerschwinglichen Wohnraum und Verdrängung (einkommensschwacher) Mieter*innen sein können. Unter Ökonom*innen besteht allerdings ein hoher Konsens darüber, dass Mietregulierungen ineffizient sind.

Sie führen etwa tendenziell zu einer Verringerung der Quantität von Mietwohnungen, da Vermieter*innen darauf verstärkt mit dem Verkauf von Wohnungen an Eigennutzer*innen reagieren. Dadurch wird es für potenzielle Mieter*innen schwieriger, geeignete Mietwohnungen zu finden. Die Mietpreise der Wohnungen, die nicht reguliert sind, steigen entsprechend. Trotzdem ist die Popularität verschiedener Formen der Mietregulierung weltweit ungebrochen. Damit sind Mietpreiskontrollen ein klassisches Beispiel für eine wirtschaftspolitische Maßnahme, die von Expert*innen mehrheitlich abgelehnt, von der Öffentlichkeit aber freudig begrüßt wird.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse"-Redaktion entsprechen.

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Doch welche (positiven und negativen) Effekte von Mietregulierungen sind für die Bevölkerung wichtig und für die hohe Unterstützung dieser Maßnahmen in der Öffentlichkeit ausschlaggebend? Dieser Frage bin ich gemeinsam mit meinen Koautoren Mathias Dolls und Paul Schüle in einem Umfrageexperiment unter 18.000 Deutschen nachgegangen. Dabei haben wir Gruppen von Teilnehmer*innen über verschiedene Aspekte des Berliner Mietendeckels – einer besonders drastischen Form der Mietregulierung – informiert und im Anschluss ihre Einstellung zu dieser Maßnahme erfragt.

Wie stark beeinflussen Informationen die Meinung?

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Zustimmung der Bevölkerung zu Mietpreisobergrenzen durch Bereitstellung von Information sowohl erhöht als auch gesenkt werden kann. Informationen über die unerwünschten Auswirkungen des Mietendeckels auf das Angebot an Mietwohnungen und die Mietpreise im unregulierten Bereich senken die Zustimmung zum Mietendeckel. Demgegenüber können Informationen darüber, dass Mietobergrenzen dazu beitragen können, die Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen zu verhindern, die Unterstützung erhöhen. Dies deutet darauf hin, dass Menschen ``ineffiziente'' Maßnahmen wie den Mietendeckel nicht nur aus Unkenntnis der damit verbundenen Effizienzkosten unterstützen, sondern auch, weil ihnen andere, positive Aspekte der Maßnahme wichtig(er) sind, die von Ökonom*innen normalerweise nicht betont werden.

Ein überraschendes Ergebnis liefert die Analyse, welche Befragten auf die von uns bereitgestellten Informationen reagieren und was die Motive dahinter sind. Es zeigt sich nämlich, dass die zur Verfügung gestellten Informationen vor allem diejenigen Befragten beeinflussen, deren vorherige Überzeugungen nicht zu stark von den zur Verfügung gestellten Informationen abweichen, während Personen mit starken Fehlwahrnehmungen oder voreingenommenen Ansichten bezüglich der Effekte des Mietendeckels ihre Unterstützung für die Politik kaum ändern. Da Einschätzungen bezüglich der Effekte mit der Ex-ante-Befürwortung des Mietendeckels korrelieren, bedeutet dies, dass wir mit Informationen zu positiven Effekten des Mietendeckels hauptsächlich die Unterstützung jener erhöhen, die den Mietendeckel ohnehin bereits mehr als der Durchschnitt befürworten, während negative Effekte vor allem Personen beeinflussen, die den Mietendeckel von vornherein eher ablehnen.

Wie lässt sich dieses paradoxe Ergebnis erklären? Wir finden, dass ex-ante Einschätzungen zu den Effekten des Mietendeckels nicht nur stark mit der Unterstützung für den Mietendeckel selbst, sondern auch mit der politischen Orientierung im Allgemeinen korrelieren. Befragte, die sich der Effizienzkosten des Mietendeckels ex-ante nicht bewusst sind, sind eher für diese Maßnahme und eher „links“ orientiert als diejenigen, die über diese Kosten Bescheid wissen. Analog dazu sind Personen, die nicht glauben, dass eine Mietobergrenze dazu beitragen kann, Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen zu verhindern, tendenziell weniger für den Mietendeckel und auch generell eher „rechtsgerichtet“ als diejenigen, die sich dieses Aspekts bewusst sind.

Einschätzungen auch politisch motiviert

Dies deutet darauf hin, dass Einschätzungen zu den (positiven und negativen) Effekten einer Mietpreisobergrenze - zumindest bis zu einem gewissen Grad - politisch motiviert sind. Wenn den Befragten dann Informationen vorgelegt werden, die ihren politisch motivierten Überzeugungen widersprechen, halten sie diese Informationen für weniger glaubwürdig, weil sie als politisch voreingenommen abgewertet werden. Infolgedessen ändern sie auch ihre Einstellung zum Mietendeckel eher nicht.

Unsere Erkenntnisse können für die Gestaltung von politischer Kommunikation von Nutzen sein. Wir zeigen, dass Informationen über einen Sachverhalt nicht notwendigerweise die Einstellungen der Bevölkerung zu wirtschaftspolitischen Maßnahmen ändern, da diese oft stark durch tiefliegende Überzeugungen und Werthaltungen geprägt sind. Informationen, die diesen Überzeugungen widersprechen, werden dann schnell als politisch gefärbt und tendenziös wahrgenommen, und haben deshalb keinen Einfluss auf die Einstellung der Befragten. Erfolgversprechender sind vermutlich Ansätze, die durch die Aufnahme unterschiedlicher und sogar gegensätzlicher Perspektiven auf ein Thema Einseitigkeit vermeiden.

Die Autorin

Lisa Windsteiger ist Assistenzprofessorin an der Universität Salzburg (PLUS) und Research Associate am ifo Institut. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Verhaltensökonomie, politische Ökonomie und Finanzwissenschaft. Sie hat sich insbesondere mit der Wahrnehmung von Ungleichheit, sozioökonomischer Segregation und der Nachfrage nach Umverteilung befasst und analysiert mit Hilfe von Umfrageexperimenten, welche Faktoren die öffentliche Unterstützung für (wirtschaftspolitische) Maßnahmen beeinflussen. Bevor sie an die PLUS kam, war Lisa Windsteiger Post-Doc und stellvertretende Leiterin des Ludwig Erhard ifo Zentrums für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik sowie Senior Research Fellow am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen. Sie hat einen Master-Abschluss in Mathematik von der Technischen Universität Wien, einen MSc in Ökonomie vom Institut für Höhere Studien in Wien und einen PhD in Ökonomie von der London School of Economics.

ifo Institut – Markus Siebler

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