Nach der Präsidenten- und Parlamentsabstimmung steht das Land vor enormen Herausforderungen. Eine Verbesserung der Wirtschaftslage ist nötig, aber auch eine Lösung für Flüchtlinge in der Türkei und eine Neuordnung der Beziehungen zum Westen.
Istanbul. Nach dem Votum vom Sonntag steht die Türkei am Scheideweg: Auf das Riesenland kommen einschneidende Veränderungen zu. Denn die Türkei wächst rasant: Heute wohnen dort 85 Millionen Menschen, das sind 20 Millionen mehr als 2002, als die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan an die Macht kam. Mit 800 Milliarden Dollar hat die moderne Türkei die dreifache Wirtschaftsleistung von damals. Eine ganze Generation ist mit Internet, Smartphones und sozialen Medien aufgewachsen und orientiert sich nicht nur bei Mode und Lifestyle an westlichen Standards, sondern auch bei persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten.
Die künftige Regierung wird auf den Druck der jungen Generation reagieren müssen, wenn sie die Abwanderung gut ausgebildeter Frauen und Männer stoppen will. Nach einer Schätzung des Wirtschaftsverbandes Türkonfed sind in den letzten drei Jahren 300.000 vorwiegend junge Türken ins Ausland gegangen. Eine Umfrage des Instituts MetroPoll ergab im vergangenen Jahr, dass 53 Prozent der Wähler in der Türkei im Ausland leben oder studieren wollen.