Rohbericht

"Nutzen blieb ungeklärt": Rechnungshof kritisiert Österreichs Corona-Teststrategie

APA/FRANZ NEUMAYR
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5,2 Milliarden Euro hat der Staat für Corona-Testungen ausgegeben. in einem Rohbericht stellt der Rechnungshof den Nutzen der Vielfalt an Testangeboten infrage.

Die Umgang Österreichs mit Coronatests wird vom Rechnungshof (RH) in einem aktuellen Rohbericht zerpflückt. Mindestens 5,2 Milliarden Euro wurden für Covid-19-Tests bis Ende 2022 ausgegeben. Allein bis Ende März 2022 wurden - noch ohne Wohnzimmertests - mindestens 306,4 Millionen Tests durchgeführt. Über verschiedene Kanäle wurde 16-mal mehr getestet als in Deutschland, und "der konkrete Nutzen dieser Vielfalt an Testangeboten blieb ungeklärt", so die RH-Kritik.

Das Gesundheitsministerium hielt dem entgegen, dass die Entscheidung für das Testprogramm in einer Phase der Pandemie gefallen sei, in der davon eine erhebliche Reduktion der Neuinfektionen erwartet worden sei. Deshalb sei über die Screeningprogramme der Länder, Tests in Betrieben und Schulen eine möglichst breite Abdeckung angestrebt worden.

Fehlende Daten erschweren Kosten-Nutzen-Analyse

Nachdem sich die hochansteckende Omikron-Variante in Österreich durchgesetzt hatte, sei Testen als Maßnahme gegen Neuansteckungen nur mehr eingeschränkt zielführend gewesen. Die Bundesregierung habe deshalb die Zahl der kostenlosen Tests vor mehr als einem Jahr deutlich reduziert. Die Kosten seien dadurch erheblich gesunken.

Die Prüfer konzentrierten sich auf die Jahre 2020 und 2021 und die Tests im Bereich von Gesundheitsministerium und den Ländern Wien und Niederösterreich. Da neben dem Gesundheitsressort und den Ländern noch drei weitere Ministerien Tests in größerem Ausmaß durchführten, entstand eine Vielfalt, die eine Steuerung und Abstimmung des Gesamtangebots erschwerte, so die Kritik. Aufgrund fehlender Daten sei es zudem weder möglich gewesen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis verschiedener Testangebote zu analysieren, noch fundiert über deren Limitierung zu entscheiden. Auch die wissenschaftliche Beurteilung, speziell der internationale Vergleich, sei zur Zeit der Gebarungsprüfung noch nicht abgeschlossen gewesen, heißt es in dem Papier.

Massentests infrage gestellt

Die zentralen Empfehlungen des Rechnungshofs: Das Gesundheitsressort sollte seine Zuständigkeit für die Pandemiebewältigung wahrnehmen. Es sollte darauf hinwirken, dass nicht andere Stellen die betreffenden Entscheidungen treffen und dann Maßnahmen setzen, die mit der eigenen Teststrategie nicht konform gehen.

Das lange durchgehaltene massenweise Testen in Österreich stellt der RH grundsätzlich infrage. "Beim Testen wäre der zielgerichtete, risikoorientierte Ansatz zu verfolgen und auszubauen", so die Prüfer wörtlich: "Bevölkerungsweite Tests wären zusätzlich zu diesem Ansatz nur abhängig von der epidemiologischen Lage und unter Zugrundelegung von Kosten-Nutzen-Aspekten im Vergleich zu den Surveillance-Programmen anzubieten."

Kritik an fehlenden Mindeststandards

Wünschenswert wäre aus RH-Sicht ein an die epidemiologische Lage angepasstes, abgestimmtes Testangebot mit einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Dafür braucht es nach Ansicht der Prüfer fundierte strategische Grundlagen, Daten für Monitoring und Evaluierung sowie die Steuerung der Testangebote durch Mindeststandards, Vorgaben und eine Abstimmung zur Vermeidung von Parallelstrukturen und Mehrfachtestungen.

In der Historie des Corona-Testens kritisiert der RH unter anderem, dass das Gesundheitsministerium Anfang 2021 keine Mindeststandards für die Umsetzung vorgab, als ein bevölkerungsweites, niederschwelliges Testangebot beschlossen worden war. Die Länder gingen dann unterschiedlich vor: Gurgeltests in Wien, in Niederösterreich anfangs eher Antigen-Tests. Zusätzlich gab es Tests in Apotheken, bei Ärzten, im Tourismus, an Schulen, aber auch in Betrieben. All das sei nicht abgestimmt gewesen, das Gesundheitsressort habe nicht einmal Daten über die Anzahl der durchgeführten Tests ermitteln können. "Dieser Mangel an qualitätsgesicherten Daten erschwerte es, das Testgeschehen zu steuern und seinen Einfluss auf die epidemiologische Lage zu beurteilen", heißt es. Auch etwaige Parallelstrukturen und Mehrfach-Testungen seien dadurch begünstigt worden.

„Keine vorausschauende Planung möglich"

Im Laufe des Jahres 2021 änderte das Ressort seine Strategieüberlegungen innerhalb weniger Monate mehrmals, eine neue Teststrategie wurde aber erst im April 2022 veröffentlicht. "Den Ländern war keine vorausschauende Planung möglich, auch weil das Gesundheitsministerium keine langfristigen Zusagen für Projekte zur Ausweitung von PCR-Tests in den Ländern machte", so der RH weiter. Die Länder begannen dann, ein bevölkerungsweites PCR-Gurgeltest-Angebot zur Eigenanwendung auszubauen. Der Bund trug die Testkosten nahezu unbeschränkt und analysierte nicht, welche Art von Tests im Durchschnitt wie viel kosteten.

Aufgrund der Ausbreitung neuer Virusvarianten änderten sich die Rahmenbedingungen. Im April 2022 kehrte das Gesundheitsministerium dann zum risikoorientierten Testen zurück. Mit dem Abwassermonitoring wurde ein alternatives Surveillance-Programm verfolgt. Allerdings gab es auch hier keine österreichweiten Vorgaben, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse und deren Einbeziehung in das nationale Monitoring erschwerte, so der RH.

(APA)

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