70 Jahre nach Ende des Korea-Kriegs sind sich die beiden Länder der Halbinsel so fremd wie nie zuvor. In Südkorea wachsen Ressentiments gegenüber Flüchtlingen aus dem Norden. Zu spüren bekommt dies eine Schule für junge Nordkoreaner in Seoul: Die Yeomyung School muss nach Protesten der Anrainer wegziehen. Ein Lokalaugenschein.
Am meisten störte Chan Ik-han die bohrende Neugierde seiner neuen Mitschüler in Seoul: „Hat deine Familie in Nordkorea gehungert?“, wollten sie wissen. Oder: „Hattet ihr Angst?“ Fragen, die dem Teenager ständig das Gefühl gaben, anders zu sein, nicht dazuzugehören. Irgendwann antwortete er gar nicht mehr, verschanzte sich hinter seinem Schweigen. „Ich wollte nicht immer nur der Nordkorea-Flüchtling sein“, erinnert er sich.
Chan war 17, als er 2019 aus der stalinistischen Diktatur flüchtete. Mitten in der Nacht überquerte er den Grenzfluss Yalu nach China, ließ alles hinter sich. Seine Oma, die ihn aufgezogen hatte und in die Freiheit hatte begleiten wollen, war vor der Flucht gestorben. Monatelang dauerte es, bis er sein Ziel, Seoul, erreichte, wo die Tante und der Onkel leben. „Ich habe mir Südkorea immer wie ein Paradies vorgestellt“, sagt der junge Mann.