Amtshaftung

Konflikte in Zelle missachtet: Staat muss an Häftling zahlen

Nach religiösen und nationalen Spannungen war ein tschetschenischer Gefangener Opfer eines Mordversuchs geworden.

Wien. Der Täter wurde inzwischen wegen versuchten Mordes verurteilt. Doch in der Frage, ob der Staat dem Opfer Schadenersatz zahlen muss, waren sich die Gerichtsinstanzen uneins.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) macht nun aber klar: Der Tschetschene muslimischen Glaubens, der schon zuvor die Konflikte mit seinen georgischen, christlich-orthodoxen Mithäftlingen thematisiert hat, ist für die erlittenen Verletzungen staatlich zu entschädigen. Schließlich war es nicht die erste Attacke auf das Opfer gewesen, die Zelle hatte der Mann trotzdem nicht wechseln dürfen. Geprägt war der Streitfall aber auch von der Frage: Reicht es, wenn man sich als Häftling einem Justizwachebeamten mündlich anvertraut, oder muss man eine formelle Meldung über gefährliche Vorfälle machen, damit der Staat Handlungsbedarf hat?

Den Wunsch, die Zelle zu wechseln, hatte der Mann mehrfach schriftlich und mündlich geäußert. Er wurde von den Mithäftlingen schikaniert, weil er in der Haft eine Lehre begonnen habe. Auch wegen der unterschiedlichen Herkunft und Religion war es zu erheblichen Konflikten gekommen, die teils auch das verbale Maß überschritten.

Vom schlimmsten Vorfall machte der Tschetschene – er verbüßt selbst eine mehrjährige Strafe – aus Angst vor Rache der Mithäftlinge aber keine formelle Meldung. Er vertraute jedoch einem Wachebeamten an, dass ihn einer der Georgier mit einem aus der Küche mitgenommenen Fleischerhammer angegriffen hatte. Mangels offizieller Meldung dazu wurde der Haftraum nicht kontrolliert. Eine Woche später wurde der Tschetschene in der Nacht mit einem Brotmesser attackiert und schwer verletzt.

Während das Grazer Landesgericht für Zivilrechtssachen der Amtshaftungsklage stattgab, wies das Oberlandesgericht Graz diese ab. Es gebe kein Schutzgesetz, das es untersage, Personen unterschiedlicher Herkunft und Religion in dieselbe Zelle zu sperren. Von einem Angriff auf den Tschetschenen habe man nicht ausgehen müssen.

Der OGH (1 Ob 15/23x) betonte, dass das Gefängnis spätestens nach dem Angriff mit dem Hammer reagieren und den Tschetschenen verlegen hätte müssen. Es reiche aus, wenn ein Häftling den Vorfall einem Wachebeamten informell mitteile. Der Staat muss den Tschetschenen für die erlittenen Verletzungen entschädigen.

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