Nokia schmiedet „Pakt der Verzweiflung“ mit Microsoft

(c) Reuters (LUKE MACGREGOR)
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Nokia-Konzernchef Stephen Elop will mit dem Smartphone-Betriebssystem der US-Amerikaner den einst so stolzen Weltmarktführer im Kampf gegen Google und Apple stärken, und so den drohenden Absturz verhindern.

Wien/Ag./Mar. Am Mittwoch schilderte Nokia-Chef Stephen Elop in einem Brief an seine Mitarbeiter, wie schlecht es wirklich um den Weltmarktführer im Handymarkt steht. Der finnische Konzern, der praktisch seit dem Aufkommen der mobilen Telekommunikation den Markt dominiert, kämpft gegen die Zugewinne des Konkurrenten Apple bei Smartphones und gegen Google bei Betriebssystemen. Die Mitteilung klang so, als würden bald Köpfe rollen bei Nokia.

Am Freitag stellte Elop in London die Strategie vor, mit der er Nokias drohenden Absturz verhindern will. Entgegen den Erwartungen lässt Elop die Führungsspitze mit einer Ausnahme unverändert. Aber sonst will der Konzern weltweit und in großem Stil Stellen abbauen. Zahlen gibt es vorerst nicht. Zudem werden die Entwicklungsausgaben gekappt.

Doch der wohl folgenreichste Schnitt ist die Abkehr Nokias von seinen bisher verwendeten Systemen. Stattdessen soll das Betriebssystem Windows Phone 7 des US-Softwarekonzerns Microsoft künftig die Plattform für die Smartphones von Nokia sein. Das bedeutet eine Abkehr von den Investitionen, die Nokia bisher in seine eigenen Systeme gesteckt hat – und es ist das Eingeständnis, dass man mit ihnen gescheitert ist.

Die Kooperation mit Microsoft und die radikalen Einschnitte, die Elop angekündigt hat, überzeugen Anleger nicht. Am Freitag stürzte Nokias Aktie in Helsinki zeitweise um 14Prozent ab. „Diese Partnerschaft gründet auf der Angst beider Seiten, von Apple und Google an den Rand gedrängt zu werden. Aber sie ist keine Patentlösung für die Probleme“, meint der Analyst Geoff Blaber von CCS Insight. Ein anderer Kommentator geht noch weiter: „Nokia und Microsoft schmieden einen Pakt der Verzweiflung.“

Zwar loben Experten WindowsPhone 7 als technologisch ausgereift, doch dessen Marktanteil beträgt gerade einmal zwei Prozent. Bei Handy-Betriebssystemen ist Nokia noch immer mit weitem Abstand führend, allerdings wurden im zukunftsträchtigen Bereich der Smartphones im vierten Quartal 2010 erstmals mehr Handys mit Googles System Android verkauft. Auch Apple setzt den Finnen kräftig zu. Für Microsoft ist die Kooperation ein Erfolg: Jahrelang versuchte der Konzern vergeblich, einen Fuß in den Markt zu bekommen. Das gelingt nun mit Nokias Chef Elop – der erst im September von Microsoft abgeworben wurde.

Doch es gibt auch Zustimmung, etwa von Jussi Hyoty von Front Capital. „Wenn sich diese Unternehmen mit ihren enormen Ressourcen richtig zusammenstellen, haben sie eine realistische Chance. Aber es stehen harte Zeiten bevor.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2011)

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