Proteste gegen die sunnitische Machtelite weiteten sich nach dem Tod von zwei Demonstranten aus.
Manama/Reuters/Hd. Es ist ein Kreislauf, wie man ihn aus Tunesien kennt: Ein Demonstrant wird von der Polizei erschossen, aus seinem Begräbniszug entspinnt sich eine neue Demo, wieder gibt es Zusammenstöße, wieder fließt Blut.
Genau das spielt sich dieser Tage im Golfstaat Bahrain ab: Rund 2000 Menschen gaben am Dienstag einem erschossenen jungen Schiiten das letzte Geleit, als die Bereitschaftspolizei auf die Menge losging: „Die Polizei hat auf die Demonstranten geschossen, aber sie leisteten starken Widerstand“, berichtet ein Korrespondent des arabischen Senders al-Jazeera, der aus Sicherheitsgründen anonym bleibt.
Und so gab es am Dienstag mindestens ein weiteres Todesopfer und zahlreiche Verletzte – und nach dem neuerlichen Todesfall schwoll die Menge der Demonstranten auf mehrere Tausend an. Noch sind in Bahrain die Opferzahlen gering, doch das waren sie in Tunesien anfangs auch. In dem Inselstaat ist es vor allem der Konflikt zwischen sunnitischer Herrschaftsschicht und schiitischer Mehrheit, der die Proteste befeuert. Die Slogans radikalisieren sich in Windeseile: Stand am Montag, dem „Tag des Zorns“, noch der Kampf der Schiiten um mehr Mitsprache im Mittelpunkt, so hieß es tags darauf schon unverblümt: „Wir fordern den Sturz des Regimes.“
Bald Demos in Saudiarabien?
Die schiitische Oppositionspartei Wefaq, die seit der Wahl im vergangenen Herbst 18 von 40 Abgeordnete stellt, boykottiert seit Dienstag angesichts der Polizeigewalt das Parlament. „Wir wollen Dialoge sehen“, sagte der Wefaq-Abgeordnete Ibrahim Mattar.
Die Wunschliste der Schiiten ist lang: Sie wollen mehr politische Macht, sie fordern ein Ende der Benachteiligung (in staatsnahen Bereichen ist es für sie viel schwieriger, Jobs zu bekommen), und sie fordern ein Ende der Praxis der Regierung, ausländischen Sunniten rasch die Staatsbürgerschaft zu verleihen, um die demografischen Verhältnisse zu beeinflussen.
Die Proteste könnten von Bahrain aus weiter ausstrahlen. Denn das benachbarte Saudiarabien – die beiden Länder sind über eine 26 Kilometer lange Brücke verbunden – hat eine schiitische Minderheit. Und auch die saudischen Schiiten fühlen sich marginalisiert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2011)