Nachbarn mit Persönlichkeit

Kleingärten. Privatsphäre und freien Blick zu vereinen, das ist die Herausforderung bei Bauten auf kleinen Flächen. Dabei werden Schrebergartenhäuser immer moderner. von Nikola Gumhold

Anonym sei das Leben in Kleingartensiedlungen wohl nicht, sagt Architekt Georg Marterer. „Es besteht hier auch eine soziale Komponente“, man wohne mehr oder weniger mit den Nachbarn, und das sei auch gut so. „Manchmal gibt es schon Reibereien“, erzählt Kleingartenbewohnerin Ida Franke aus dem 19. Wiener Bezirk, deren Siedlung 240 Häuser umfasst. Etwa, wenn jemand Riesenwände aufzieht oder die Bäume zu hoch werden. Dann könne es zu Streit kommen.

Was vorgeschrieben ist...

Dabei existieren relativ rigide Vorgaben, was die Wände im Speziellen und die Architektur im Allgemeinen betrifft: „Die bebaute Grundfläche darf maximal 50 Quadratmeter bei ganzjährig bewohnbaren Flächen betragen“, erklärt Thomas Moosmann, Architekt, der gerade an seinem eigenen Kleingartenhaus in Neustift in Wien baut.

Die Gesamtkubatur darf 265 Kubikmeter nicht übersteigen, die Höhe bis zur Traufe ist mit 5,50 Metern festgelegt. Die Anzahl der Geschoße ist dabei frei, die der Balkone auf einen beschränkt. Auch der Abstand vom Haus zur Grundstücksgrenze ist – im Normalfall mit zwei Metern – festgelegt. Die durchschnittliche Grundstücksgröße beträgt zwischen 280 und 350 Quadratmeter. Besonders bei Hanglagen können Architekten und Bauherren kreativ werden bei der Gestaltung der Wohnebenen. „Man kann mit dem Gefälle spielen und beispielsweise einen Gebäudeteil niedriger und einen höher anlegen“, berichtet Moosmann.

Wurden früher die Kleingärten nur in der warmen Jahreszeit und vorwiegend von Pensionisten und Kleinverdienern genutzt, so hat sich die Situation inzwischen verändert: In den vergangenen Jahren zogen und ziehen immer mehr Besserverdiener ins „kleine Glück“ und gestalten den Wohnraum gern modern mit allen Annehmlichkeiten.

Familie Franke besitzt den Grund seit 1972, damals war freilich nur ein Haus „mit Plumpsklo“ in den Hang gebaut. Die drei Stockwerke wurden 1990 neu gestaltet. Auf der Eingangsebene befindet sich heute eine Küche mit Wohn- und Schlafraum für die Eltern sowie ein Balkon, zu dem sich großflächige Glastüren öffnen. Die mittlerweile erwachsene Tochter verfügt zwar auch über eine zentrale Wohnung in Wien, wohnt aber meist lieber im dritten Stock im Kleingartenhaus. Der Keller wurde zum Wohn- und TV-Raum mit Bad und WC mit ebenerdigem Zutritt zum Garten.

Privatsphäre ist im Kleingarten ein großes Thema: Bezüglich Sichtschutz lassen sich Architekten einiges einfallen. Pflanzen sind eine einfache Lösung, meint Moosmann: „Wir arbeiten viel mit bewachsenen Pergolen; Thujenhecken vermeiden wir eher.“ Eine Alternative sei Bambus, der wachse rasch und sei pflegeleicht.

Sommerlicher Sichtschutz

Den Trend zur „grünen Grenze“ bestätigt auch Marterer: Beispielsweise könne man sich mit bepflanzten Metallgittern helfen. Im Sommer sieht man auf grünes Blattwerk, im Winter halte man sich ohnehin eher in den Innenräumen auf, da sei Sichtschutz im Garten nicht so wichtig. Manche verzichten auch ganz auf Zäune und lassen die Grünflächen durchgängig offen, erzählt Marterer.

Mit erweiternden Elementen trickst Moosmann: „Nebengebäude“, wie ein Geräteschuppen, dürfen bis fünf Quadratmeter Fläche haben, hier könne man einen schmalen, langen „Kasten“ an der Grundstücksgrenze aufstellen. So verliert man keine Fläche, sondern kann diese effizient nutzen und verfügt gleichzeitig über einen Sichtschutz.

Ein Kleingartenhaus, das Marterer in Wien entworfen hat, steht in Neustift und punktet mit einer Pergola aus Lärchenlatten als Außenhaut, die das gesamte zweistöckige Bauwerk umgibt, als Sichtschutz und im Sommer als Kühlung fungiert. Der Architekt spricht von einer „Vielschichtigkeit der Fassade“: Von außen kann man die Qualität des Innenraumes nicht erkennen.

Vom Eingang gelangt man meist auf eine Wohnebene, erklärt Marterer die typische Aufteilung des Raumes in Kleingartenhäusern. Dies habe den Vorteil, dass man von dort direkt auf die Terrasse oder in den Garten gehen kann.

Flexible Raumaufteilung

Auf zwei Ebenen spielt sich das Leben in einem von Moosmann gebauten Kleingartenhaus in Wien-Donaustadt ab: Das Haus Lobau gliedert sich im Erdgeschoß in Wohnraum, Küche und Vorzimmer. Diese sind durch eine schwebende Treppe, die in den ersten Stock führt, getrennt. Durch einen verschiebbaren Schrank kann man im Wohnzimmer bei Bedarf ein Gästezimmer zaubern, das Funktionsmöbel geht über die gesamte Zimmerbreite.

Da man vom Grundstück aus das Heizkraftwerk Lobau sieht, wünschte sich der Bauherr eine „Inszenierung“ dieses Blickes: Das Haus sollte klar, glatt, einfach und ein bisschen technoid gestaltet sein. Weitere Besonderheit: Es ist ein Passivhaus. Moosmann kommentiert: „Wir legen diese Bauweise den Bauherren nahe, wenn die Möglichkeiten passen.“ Knackpunkt seien hier oft die Kosten. Die seien für ein Passivhaus in dieser Größenordnung bei den Investitionskosten um 15 bis 20 Prozent höher als bei einem herkömmlichen Bau. Generell komme ein Haus in einer Kleingartensiedlung meist nicht so billig: Oft führen keine ausreichend breiten Straßen direkt zur Baustelle, diese sei mit Schwergeräten nicht immer erreichbar. Damit steigen die Kosten – vor allem, wenn es sich um eine Hanglage handelt.
www.m2architekten.at
www.architekt-moosmann.com
www.kleingaertner.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2011)

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