Schauraum: Stillleben als Inszenierung

Paul Ott
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Schuhe, Wein, Schmuck - wie schade, würden sie nur im Moment des Tragens oder des Trinkens genossen. Wie Lieblingsdinge als Stillleben zur Geltung kommen.

Ein schnöder Schuhkarton ist eine gar lieblose Behausung für die neuesten Strass-Peep-Toes von Christian Louboutin. Denn glamouröse Begleiter sorgen nicht nur am Fuß für einen großen Auftritt. Und ein edler Tropfen Wein oder eine Flasche Champagner lockt bei entsprechender Aufbewahrung und Präsentation schon lange, bevor eingeschenkt wird. Kurzum: Was mehr als ein Gebrauchsgegenstand ist, will wirkungsvoll inszeniert werden.

Dinge zelebrieren.

Eine lustvolle architektonische Umsetzung von persönlichen Leidenschaften ist dem Architekturbüro „INNOCAD" in der Grazer Casa H. gelungen. „Die Bauherren wollten nicht diese klassische Schrankraumästhetik haben", schildert Martin Lesjak, Chef von „INNOCAD". In einem Raum, der Ankleide, Bad und Schlafzimmer vereint, werden Schuhe und Handtaschen wie Schmuckstücke präsentiert. In einer mit Nischen versehenen Kastenwand haben die wertvollen Accessoires ihre Bühne, Lichtinszenierung inklusive: Die Farbkomposition des Raumes entfaltet ihre Wirkung vor allem dadurch, dass alle Wände indirekt beleuchtet sind. Sogar in die Vorhangschiene wurden LED-Leuchten eingebaut. „Durch die schwarze Decke und den dunklen Boden kommen diese Lichtelemente noch besser zur Geltung", so Lesjak. Auch die Schmuckvitrine ist von innen beleuchtet, denn es mache einen Unterschied, ob edles Geschmeide „aus einer Kiste oder aus einer Vitrine herausgenommen wird", meint Lesjak. Dadurch ergebe sich täglich das „Erlebnis des Aussuchens", der Wert der Dinge werde zelebriert.

Im rechten Licht, am rechten Fleck.

Auch im Schütz-Penthouse wird das Gespür für die Ästhetik schöner Gegenstände sichtbar. In dieser Wiener Wohnung erfüllt der Schrankraum eine Gatekeeper-Funktion: Positioniert zwischen Gäste- und Badezimmer, muss man durch ihn durchgehen, um in den privaten Wohnbereich zu gelangen. „Das Licht kann man herunterdimmen", meint Chieh-shu Tzou von „ten.two architecture", besonders schöne Kleidungsstücke lassen sich durch die stufenweise verstellbare Lichtquelle in Szene setzen. Die Lichtinszenierung ist nicht die einzige Möglichkeit, den Blick zu lenken. „Viele Sachen sind so gut wie möglich versteckt", erläutert Tzou. Dadurch kommen die besonders wertvollen Gegenstände in angemessener Weise zur Geltung. Der Bauherr hat genügend Platz, um seine Schätze zu präsentieren. Ein Beispiel dafür ist die Küche, in der die Gebrauchsgegenstände Verstecken spielen: Der Kühlschrank gibt sich unauffällig, der Toaster wird nur sichtbar, wenn man das entsprechende Fach öffnet, und drei Hocker können so im Küchenblock verstaut werden, dass sie darin verschwinden. Nicht so die Kaffeemaschine: „Sie ist wie ein Schatz, der gezeigt werden soll", sagt Tzou. Gleich beim Eingang in die Küche blitzt einem ihre silberne Hülle entgegen. Da der Wohnraum zur Küche hin offen ist, bleibt sie auch von dort aus gesehen ein Blickfang, der den Kaffeekonsum selbst bei notorischen Koffeinverweigerern ordentlich in die Höhe schrauben würde.

Viel Raum für Privatsphäre.

Nach außen hin ein geschlossenes Gebäude ist eine Villa in der Südsteiermark: „Hier wird der Satz ‚My home is my castle‘ ziemlich auf die Spitze getrieben", so Mark Jenewein vom Grazer Architekturbüro „LOVE architecture and urbanism". Es gibt weder Fenster noch Luken zur Straße hin; sämtliche Sichtflächen sind nach innen gerichtet. Wie in einem Schloss gibt es geheime Türen, die in versteckte Zimmer führen. „Es kommt hier zu einer Art Verdoppelung der Privatheit", erläutert Jenewein. „Es geht darum, verschiedenen Emotionen Raum zu verleihen." Mehrere Innenhöfe bieten Freiraum für die Privatsphäre. Es gibt aber auch Bereiche, die weder von außen noch von innen einsehbar sind. Man muss erst durch eine Bibliothek geführt werden, um über einen kleinen Innenhof in den versteckten Weinkeller zu gelangen. Auch in den anderen Räumen spiegeln sich die Leidenschaften des Bauherrn. Eine Bücherwand steht als Trennwand im Wohnzimmer. Ihre Glaselemente sind verschiebbar - das Herausnehmen eines Buches wird so zu einem besonderen Prozedere. Von der Küche blickt man durch ein Fenster direkt in das Carport der Villa - selten finden PS und kulinarischer Genuss optisch so geschmackvoll zueinander. Im Billardzimmer wartet ebenfalls eine Überraschung: In der Polsterwand sind verschiedene Regale untergebracht. Wenn man auf ein bestimmtes Polsterfeld drückt, öffnet sich eine - bis dahin unsichtbare - Bar. Ali Baba würde Augen machen.

Catwalk für den Rebensaft.

Hedonisten wissen, dass der Genuss von Wein und Champagner lange vor dem Öffnen der Flaschen beginnt. Nämlich bei der Lagerung derselben. Inspiration bietet der Weinkeller Strudler im Burgenland. Flüssiges ist hier in feste Formen gepackt. Wände und Decke wurden in beiger Farbe mit beigemengtem Sandstein verputzt, der Verkostungsraum vergrößert. Der Weingenuss zieht sich durch die Form des Raumes sprichwörtlich in die Länge. Vor dem durstigen Besucher erstrecken sich 50 Meter. „Das Potenzial des Kellers ist, dass man bis nach hinten durchschauen kann", sagt Richard Messner von „lottersberger-messner-dumpelnik architekten". Eine unerwartete Weite breitet sich aus, sobald man über eine steile Stiege in den Keller gelangt. Fast fühlt man sich wie auf einem Sprungturm, kurz vor dem Eintauchen in eine wundersame „Weinwelt". Bis ganz nach hinten reihen sich die Weinfässer und Weinflaschen, aufgefädelt wie Perlen an einer Kette. Mittels mehrerer Lichtquellen werden verschiedene Stimmungen erzeugt - in einer solchen Atmosphäre rinnt der Wein ganz anders die Kehlen hinunter. Ein kleiner Teil des Kellers ist ausschließlich der Familie Strudler vorbehalten: In ihrer privaten Vinothek sind die ganz persönlichen Schätze eingelagert.

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