Tageslicht: Stimmungsaufheller

(c) Dapd (Axel Heimken)
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Mit natürlichem Licht lässt sich in jede Wohnung Atmosphäre zaubern. Welche Faktoren man bei der Planung beachten sollte, und wie man nachträglich optimieren kann.

„Sonnenlicht ist kostbar. Es erhellt nicht nur unseren Tag, sondern auch unser Seelenleben – und versorgt uns mit Energie und Wärme.“ Karl Fischer, Leiter des Österreichischen Instituts für Licht und Farbe, berichtet gerne über die „Vitamine“, die im Sonnenlicht stecken: Tageslicht fördere das Konzentrationsvermögen, verbessere die Motivation und verhindere vorzeitiges Ermüden.

Faktum ist: Das natürliche Licht mit seinen vielfältigen Spektren, seiner witterungs-, tages- und auch jahreszeitlich variierenden Intensität sowie der kontinuierliche Wechsel zwischen Tag und Nacht prägen und beeinflussen uns nachhaltig – sofern wir davon etwas mitbekommen. Das nämlich ist im heutigen Alltagsleben keine Selbstverständlichkeit. 90Prozent unserer Zeit verbringen wir ausschließlich indoor. In teilweise klimatisierten und zumeist nur mit Kunstlicht erhellten Gebäuden wird gearbeitet, geshoppt, Sport betrieben, relaxed oder dem Kunst- und Kulturgenuss gefrönt. „Die Erfindung von Kunstlicht“, meint Gregor Radinger, Leiter des Universitätslehrgangs für Tageslichtarchitektur der Donau-Uni Krems, „hat zu einer kontinuierlichen Reduzierung von Tageslicht in Bauwerken geführt.“ Dieser negativen Entwicklung gelte es entgegenzuwirken.

Die richtige Inszenierung

Die Lichtplanerin Barbara Gilhaus-Sturm betreibt gemeinsam mit ihrem Mann, einem Architekten, das Planungsbüro „archiLUM“ in Bregenz. Gilhaus-Sturm: „Das Schöne am Tageslicht ist, dass dieses immer wechselt, sich in einem ständigen Wandel befindet, Stimmungen vermittelt. Kunstlicht schafft das nicht. Es sei denn, man macht einen Showroom aus seiner Wohnung.“

Aber auch Tageslicht will richtig inszeniert sein. Gute Planung der eigenen vier Wände beginnt deshalb mit einer umfangreichen Analyse des zukünftigen Wohnumfeldes. Wie ist das Gebäude, wie sind die Räume in Bezug auf die Himmelsrichtungen positioniert, und wie schaut die Nachbarbebauung beziehungsweise die Vegetation rundum aus? Diese Fragen sollte man klären. In der Folge gilt es, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Passionierte Langschläfer haben wohl nur bedingt Freude mit einem großzügig verglasten, ostseitig gelegenen Schlafzimmer, und auch die Sinnhaftigkeit der beliebten Variante des südseitigen Wohnzimmers sollte man überdenken, wenn dieser Raum erst ab den späten Nachmittagsstunden genutzt wird.

Ebenso ist es ratsam, die Erkenntnisse der Forschung in die Planung einzubeziehen. Radinger: „Das Licht von oben ist sehr intensiv, nämlich dreimal so stark wie jenes, das vom Horizont kommt. Schrägverglasungen, Oberlicht-Bänder und Dachfenster sorgen deshalb auch für die beste Lichtausbeute im Wohnbereich.“ Ein Raum sollte auch nicht nur an einer Seite Fenster aufweisen. Ideal wäre laut Radinger eine zweiseitige „parallele“ Belichtung mit Tageslicht oder eine ums Eck reichende Fensterfront.

Ein weiteres Kriterium ist die Fenstergröße. Großzügige Verglasungen in Raumbreite zählen zwar zu den Liebkindern von Architekten, sind aber nur bedingt praxistauglich. „Zum einen fühlen sich die Bewohner wie in einer Auslage, zum anderen bergen diese Flächen in den Sommermonaten ein nicht unerhebliches Überhitzungspotenzial. Darüber hinaus bringen solche Fenster bei Weitem nicht den Lichteintrag, den die Größe vermuten lassen würde“, so Radinger. Und auch die tolle Aussicht leidet spätestens dann, wenn die meiste Zeit das Rollo unten ist.

Achtung auf Grundrisse!

Während es Häuslbauer selbst in der Hand haben, Tageslicht optimal in ihre Planung miteinzubeziehen, müssen all jene, die sich in eine Bestandsimmobilie einmieten beziehunsgweise eine solche käuflich erwerben, ein wachsames Auge bei der Auswahl eines geeigneten Objekts haben. Finger weg von ausschließlich nordseitig orientierten Wohnungen, sagen die Experten. Finger weg natürlich auch von Wohnungen mit „schlauchartigen“ Zimmergrundrissen – das Tageslicht erreicht hier oftmals nicht einmal die Raummitte. Keine Empfehlung gibt es naturgmäß ebenfalls für Objekte, in denen Wohnbereiche wie Küche und Bad fensterlos sind – soll es immer noch geben.

Apropos Fenster: Auch das Verhältnis zwischen Rahmen und Glasflächen ist entscheidend. Radinger: „Kunststofffenster mit einem Rahmenanteil von 40Prozent sind leider keine Seltenheit. Dass der Lichteinfall da eher bescheiden ausfällt, ist klar.“ Mehr Lichtenergie in den Raum leiten lässt sich auch durch eine nachträgliche Gestaltung der Wohnung. Lichtplaner Fischer: „Dort, wo viel Tageslicht verfügbar ist, muss man versuchen, diesen „Gewinn“ zu maximieren, dort, wo nur wenig Sonnenstrahlen den Raum erhellen, gilt es, jeden einzelnen Lichtstrahl optimal zu nutzen.“ Bedeutet im Klartext: helle Oberflächen, Wände und Böden, der gezielte Einsatz von Farbe und das Verbannen von Lichtfressern wie Vorhängen.

Ebenfalls eine Möglichkeit, aber auch entsprechend kostspielig, sind sogenannte Lichtlenksysteme, die via Umlenklamellen und Reflektorblenden einfallendes Tageslicht bedarfsgerecht dosieren und steuern.

www.donau-uni.ac.at/dbu/tla
www.lichtundfarbe.at
www.archilum.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2011)

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