Bukarest: Not macht erfinderisch

Andreea Tanase/EST&OST
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In Rumänien hat man gelernt Auswege über Umwege zu finden und nicht zu jammern, sondern immer einen Plan B parat zu haben. Andrea Dissauer, bei EHL Immobilien zuständig für die CEE-Region, hat einiges zu berichten.

(im Bild: Andrea Dissauer)

Nicht vergessen: 3 Dinge, die unbedingt in den Koffer gehören:

Die üblichen Verdächtigen, Laptop, Handyladekabel und i-Pod. Für Bukarest habe ich auch immer ein weiteres Paar robuste Schuhe im Koffer, da die Straßen in abenteuerlich schlechten Zustand sind, vor allem jene Straßen, die außerhalb der üblichen Verkehrsrouten liegen. Dort ist es keine Seltenheit, dass die teilweise unasphaltierten Strassen mit riesigen Schlaglöchern übersät sind.

Der erste Eindruck: was ist so ganz anders an den Immobilien (Häusern, Straße, Geschäfte, Büros...) als in Österreich? Und was unterscheidet den Immobilienmarkt von unserem?

In Bukarest ist vieles anders als in anderen west- und bereits gut entwickelten osteuropäischen Städten. In den 30 Jahren wurde Bukarest „Paris des Ostens“ genannt. Ob diese Stadt mit ihren vielen Seen und Parkanlagen, mit ihren an das Pariser Vorbild erinnernden Boulevards und der prächtigen alten Bausubstanz, den zahlreichen repräsentativen Kultur- und Sporteinrichtungen sich jemals so entwickeln wird wie Wien oder Prag sei dahingestellt. Architektonische Elemente des Barock, der Renaissance vermischen sich in Bukarest mit Neoklassizismus, Luxus mit Armut, Glanz mit Elend und Unvollkommenheit mit Vollkommenheit. Die heruntergekommenen Häuser mit der wunderschönen alten Bausubstanz lassen zwar in der Phantasie eine Renovierung zu, im realen Leben fehlt aber leider das Geld. Die Stromkabel hängen teilweise bis zum Boden herunter - was im Winter immer wieder zu Stromausfällen führt. Ich arbeite neben Bukarest auch in anderen osteuropäischen Städten wie Prag, Budapest, Warschau und Bratislava, aber Bukarest ist jene Stadt, die mich am meisten fasziniert, weil diese Stadt noch so viel Potenzial hat. Ich vergleiche Bukarest oft mit einem Rohdiamant der noch geschliffen und in Form gebracht werden muss. Bukarest hat Flair und Charme, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht sieht! Ich hoffe sehr, dass die Raumplanung die alten architektonischen Prachtbauten schützt und neue architektonische Bauten schön in das Stadtbild integrieren wird.

Der Büromarkt ist im Vergleich zu Wien noch lange nicht gesättigt. In Bukarest leben ca. 2,1 Millionen Menschen und die Stadt ist ähnlich groß wie Wien und hat ca. zwei Millionen Quadratmeter Bürofläche – in Wien haben wir über zehn Millionen Quadratmeter - sprich allein durch die Größe des Landes und der geografischen Lage Rumäniens, gibt es noch ein gewaltiges Entwicklungspotenzial für den Büromarkt in Bukarest aber auch für die Regionalstädte. Verglichen mit anderen osteuropäischen Staaten hat die Wirtschaftskrise Rumänien sicherlich am stärksten getroffen, Das extrem starke Absacken der Nachfrage nach modernen Büroflächen, Grundstücken, Investments etc. hat der gesamten Immobilienbranche und Baubranche in den letzten drei Jahren zu schaffen gemacht. Jedoch haben die Firmen gemeinsam mit ihren rumänischen Teams die Situation gemeistert, was für die gute Zusammenarbeit zwischen Österreich und Rumänien spricht.

Auf den zweiten Blick: Was könnten wir vom Immobilienbusiness dort lernen? Und umgekehrt?

Die sozialistische Zeit hat eine beeindruckende Kreativität geschult und gefördert. Ganz nach dem Motto: „Not macht erfinderisch“. In einer Zeit, in der man „Nichts“ - oder nur sehr eingeschränkte Mittel zur Verfügung hatte, haben die Rumänen gelernt, aus „Nichts“ etwas zu machen. In Rumänien hat man gelernt „Auswege über Umwege“ zu finden. Daraus entwickelte sich dann eine hohe Innovationsfähigkeit, und ein „thinking out of the box“. Was ich an den lokalen Teams sehr schätze ist, dass nicht gejammert wird. Die Rumänen überlegen sich einen Plan B auch in schwierigen Zeiten und das macht das Arbeiten mit rumänischen Teams immer spannend und letztendlich erfolgreich – ich denke da können wir Österreicher noch viel lernen. Im Immobilienbereich hat Bukarest in den letzten Jahren stark von der hohen Investitionsbereitschaft der Österreicher profitiert und wir wiederum vom Know How der Rumänen diese Investments im Land auch erfolgreich umzusetzen. Diese Entwicklung setzt sich fort und steht auf Erfolgskurs.

Perspektiven: Gibt es Immobilienbereiche, die für österreichische Unternehmen Marktpotenzial haben könnten? Wenn ja, welche?

Ich sehe noch sehr viel Potenzial in allen Immobilienbereichen. Wie bereits oben erwähnt sind österreichische Unternehmen bereits sehr im Immobilienbereich engagiert - sei es im Wohnbau-, Retail-, oder Gewerbesegment. Sobald die Wirtschaft wieder anzieht wird eine Vielzahl an neuen Büros und Gewerbeflächen benötigt werden. Auch im privaten Wohnbau gibt es weiterhin gewaltiges Potenzial.

Do's & Dont's: Was sollte man im Umgang mit lokalen Geschäftspartnern beachten?

Begrüßung und Verabschiedung erfolgen, wie bei uns, per Handschlag und auch was die Pünktlichkeit betrifft halten es die Rumänien wie die Österreicher, leider verursacht das heftige Verkehrsaufkommen immer wieder unvermeidbare Verspätungen. Mietvertragsverhandlungen können sehr lange dauern, da es ständig zu Rückfragen und Neuverhandlungen kommt. Einsatz und viel Ausdauer sind daher für einen erfolgreichen Abschluss erforderlich. Dies wird aber dann auch belohnt, denn wenn man einmal das Eis gebrochen hat, entsteht eine sehr innige Geschäftsbeziehung über viele Jahre, die auch gepflegt wird. Hierarchiedenken ist in Rumänien noch stark ausgeprägt, die Anrede erfolgt daher immer mit dem Titel und der Titel ist ungemein wichtig. Beim Anstoßen auf einen gelungenen Deal auf keinen Fall „Prost“ sagen, da es auf Rumänisch „dumm“ bedeutet. Der korrekte Rumänische Ausdruck ist „noroc“. Autofahren in der Nacht außerhalb der Verkehrsrouten in Bukarest würde ich nicht empfehlen, da unbeleuchtete Pferdefuhrwerke und streunende Hunde auf den Straßen unterwegs sind.

Nicht verpassen: was man auf keinen Fall versäumen darf:

Lipscani, - ein Spaziergang durch Bukarests ältesten und schönsten Stadtteil. Eine Ansammlung von Straßen, die manchmal mehr, manchmal weniger hübsch anzusehen sind. In den letzten Jahren sind überall Restaurants, Cafes und Geschäfte aus dem Boden geschossen, die das Moderne unserer Zeit widerspiegeln. Vor allem im Sommer, wenn es länger hell ist, kann man sehr gemütlich durch die Straßen flanieren, gut Essen und den Tag Revue passieren lassen. (Gastbeitrag von Andrea Dissauer, EHL Immobilien)

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