Brücken bauen: Mode als Bindeglied

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Mode als Bindeglied der Kulturen und der Handel mit Altkleidern stehen im Mittelpunkt engagierter Projekte. Dabei gibt es unterschiedliche Geschäftsmodelle.

Wenn der Kleiderschrank wieder einmal überquillt, lässt sich bekannt­lich nicht gar so schwer Abhilfe schaffen, noch dazu mit Gewis­sensaufpolier-Effekt: Schnell das Auszumusternde in ein Sackerl gesteckt und im nächsten Altkleider-Container deponiert – schon ist Platz für Neues, und irgendjemandem hat man auch noch etwas Gutes getan, immerhin steht da der Name einer Wohltätigkeitsorganisation, das muss doch was bedeuten. Oder ist das womöglich ein Irrglaube?
Manche Stimmen warnen nämlich davor, dass so der Handel mit Altkleidern in afrikanischen Entwicklungsländern gespeist wird, was die Entwicklung der lokalen Textilindustrie hemmen könnte. Schließlich wird ein Teil der im Container deponierten Kleider sortiert und für den Weiterverkauf vorbereitet. Olumide Abimbola verfasst eine Dissertation am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle und weist auf unterschiedliche Geschäftsmodelle hin: „Humana kontrolliert zum Beispiel die gesamte Handelskette, vom Einsammeln in Europa bis zum Verkauf in den afrikanischen Ländern, wo Humana präsent ist.“ Die britische Wohltätigkeitsorganisation Oxfam wiederum übernehme die Sammlung und das Sortieren, verkaufe dann aber einen Teil der Ware an Handelspartner in Afrika, die dort den Vertrieb übernehmen. Und sogar Franchising gebe es: Da stellt ein Träger, etwa Clothes Aid, seinen Namen zur Verfügung, den gesamten Prozess der Altkleideraufbereitung und -verschiffung übernehmen aber spezialisierte Unternehmen, die ihrem Partner einen Anteil am Verkaufserlös zuspielen. Abimbola unterstreicht aber: „So viele Faktoren haben zum Niedergang der afrikanischen Textilindustrie beigetragen, dass es unrichtig wäre, nur den Altkleiderhandel dafür verantwortlich zu machen.“ Schwerer wiege da schon die Öffnung der Märkte, zum Beispiel in Nigeria, durch den Beitritt zur Welthandelsorganisation und damit verbunden der Wegfall von Einfuhrbeschränkungen: Hier wie in anderen Ländern hat in der Folge der Import von Billigware aus China der Textilbranche hart zugesetzt.

Umkehrschub. „Das mag sein, die Altkleider waren aber trotzdem zuerst da und haben dazu geführt, dass westliches Konsumverhalten übernommen wurde“, fasst der Künstler Markus Hafner seinen Standpunkt zusammen. Er realisierte 2009 gemeinsam mit Coelestine Engels und Christof Berthold das Kunst-Theorie-Projekt „­Mitumback“. Das Trio fuhr in die tansanische Hafenstadt Daressalam und kaufte dort Altkleider aus Europa, die man von ortsansässigen Betrieben mit einem Fantasie-Logo versehen ließ. Anschließend brachten sie diese Kleidungsstücke zurück nach Europa und präsentierten sie im Ausstellungskontext. Anliegen war eine Art Globalisierungsumkehrschub: „Wir wollten durch das, was wir ‚Reverse Engineering Globalization‘ nennen, die Verwertungsspirale umdrehen und so in Europa Aufmerksamkeit für die Thematik erzeugen.“ Da diese Aktion sich großen Zuspruchs erfreute, wird „Mitumback“ weitergeführt: Mittlerweile werden allerdings die Altkleider nicht mehr in Tansania gekauft, sondern in den Ursprungsländern abgefangen, bloß die Logos werden in Afrika hergestellt: „Das bringt Aufträge in Tansania und verhindert, dass der ökologische Fußabdruck zu groß ausfällt.“

Gemeinsame Sache. Die Vermittlung von Produktionsaufträgen in der Stadt Agadez im nördlichen Niger und ein Ausbildungsprojekt für Frauen standen am Anfang von Ursula Kermers Initiative „Muu Design – Mode als Brücke“: „Ich sehe das Thema als Zugang, um einerseits wirtschaftliche Zusammenhänge zu begreifen, aber auch kulturell einen Anknüpfungspunkt zu finden. Kleidungsstücke zeigen ja viel von der Situation, in der Menschen leben.“ Wenn sie österreichische Designer und Schneider in Agadez kurzschließt, geht es Kermer um den Dialog, die Auseinandersetzung mit lokalen Moden und handwerkliche Lerneffekte. Außerdem kooperierte sie vergangenes Jahr mit den Initiatorinnen des Slow ­Fashion Award in Wien, für den heimische Labels aus typischen Wachsprintstoffen Accessoires entwarfen. 2012 könnte diese Aktion eine Fortsetzung finden, denn aktuell begeistert sich die Ethnologin für Stoffstreifen, die von Schmalbandwebereien in Nigeria hergestellt werden, „ein schönes Ausgangsmaterial für einen Designpreis“, wie sie meint. Und weil es nie genug der Vermittlungsarbeit geben kann, berei­tet sich Karmer gerade mit Designern aus der Steiermark und der nigrischen Hauptstadt Niamey auf einen gemeinsamen Auftritt beim „Festival international de la mode africaine“ vor, das vom nigrischen Stardesigner ­Alphadi ins Leben gerufen wurde. Bei „Crossing Fashion“ geht es übrigens nicht nur darum, Österreich und den Niger zu verbinden, sondern auch die Distanz zwischen der Wüstenstadt Agadez und der Metropole Niamey zu verringern. Brücken lassen sich eben allerorts bauen.

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