Rechtsfragen: Extreme rechtliche Unsicherheit ist vorbei

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Stabilere Gesetze stärken die Immobilienbranche in Ost- und Südosteuropa. Trotzdem gibt es in manchen Bereichen noch Aufholbedarf – etwa in Sachen Restitutionen.

Das Tal ist durchschritten, der Weg führt wieder eindeutig nach oben, hört man von Experten. Die Immobilienbranche sieht Ost- und Südosteuropa auf einem guten Kurs. Grund für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung ist neben der Bewältigung der Krise vor allem die stetig steigende rechtliche Sicherheit durch höhere gesetzliche Standards. Keine Rede kann mehr vom „wilden Osten“ sein. Die Situation habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, heißt es. Die extreme rechtliche Unsicherheit sei vorbei.

Trotzdem zeigen sich durchaus noch Unterschiede in den juristischen Standards der verschiedenen Ländern der Region. Peter Oberlechner, Leiter der Praxisgruppe Immobilien der Anwaltskanzlei Wolf Theiss, sieht ein Gefälle zwischen den Staaten der Währungsunion und jenen, die nicht der Euro-Zone angehören. In der Rechtspraxis gebe es aber auch eine Differenz zwischen Zentrum und Peripherie, mit der man zu kämpfen habe.
„Zumeist weisen die Hauptstädte eine solidere Rechtsanwendung und Verwaltung auf“, erklärt Oberlechner. So sind gesetzliche Regelungen oftmals bereits vorhanden, es mangelt jedoch noch an der entsprechenden praktischen Umsetzung.

Restitution klären


Immer noch ein Thema, auch mehr als zwanzig Jahre nach dem Fall des Kommunismus, ist die Restitution der zuvor enteigneten Liegenschaften. Die oft unklaren Besitzverhältnisse in manchen Ländern stellen bei Investitionen ein Risiko dar und blockieren die Gerichte mit langwierigen Auseinandersetzungen. „Es wäre wichtig, das Restitutionsthema einmal endgültig zu klären“, wünscht sich Michael Lagler, Partner in der Anwaltskanzlei Schönherr. Dass es beispielsweise in Rumänien mehr als drei verschiedene Gesetze zur Restitution gibt, erleichtert die Situation nicht gerade. Als pragmatischen Ansatz sieht das bulgarische Recht nun die „Ersitzung“ eines Grundstückes nach zehn Jahren der Benützung vor. Beim gutgläubigen Kauf sind schon nach fünf Jahren etwaige Ansprüche Dritter ausgeschlossen.
In der Slowakei verwaltet derzeit der Staat treuhänderisch alle Grundstücke, die noch nicht ihren ursprünglichen Besitzern zurückgegeben werden konnten. Investitionen in dortige Projekte sind also möglich, doch bergen sie natürlich immer das Risiko der Vorläufigkeit, wie Martin Jacko von der Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger & Partner erklärt.

Reform der Grundbücher


Eine weitere Herausforderung bei Immobiliengeschäften in Ost- und Südosteuropa stellt das oftmalige Fehlen von Grundbüchern im österreichischen oder deutschen Sinne (Realfoliensystem) dar. In Bulgarien, Rumänien oder Serbien besteht zurzeit noch ein Personenregister, in dem einer Person ihr jeweiliger Grundbesitz zugeschrieben ist (das sogenannte Personalfoliensystem). Umgekehrt kann man damit jedoch nicht herausfinden, wer der Besitzer einer bestimmten Liegenschaft ist. Deshalb ist es bei Immobilienverkäufen vorgeschrieben, eine Titelkette der Vorbesitzer über mehrere Jahre hinweg vorzuweisen. Diese Regelung gilt auch in einigen anderen Ländern der Region, um später mehrfache Ansprüche auf eine Liegenschaft auszuschließen. In Bulgarien und Rumänien läuft derzeit die Einrichtung flächendeckender Realfolien. In Bulgarien soll dies bis 2013 abgeschlossen sein.

Sicherheit ist Vorhersehbarkeit


Manchmal liegt der Teufel bei rechtlichen Regelungen aber auch einfach im Detail. In Serbien kann ein Gebäude mit fehlender oder fehlerhafter Benützungsgenehmigung, das auf gepachtetem Boden steht, im schlimmsten Falle an den Grundeigentümer fallen. Dieser hat dafür nur eine geringe Ausgleichszahlung zu leisten. Probleme bereitet diese rechtliche Unsicherheit vor allem bei der Finanzierung von Projekten, da Banken so auch ihre Pfandrechte verlieren und damit auch ein höheres Risiko tragen.


Obwohl Immobilienrecht gar keine gesamteuropäische Rechtsmaterie darstellt, sei die Sicherung des Kredit- und Finanzierungssystem sogar Thema bei den Verhandlungen vor den vergangenen beiden EU-Erweiterungsrunden gewesen, erklärt der in Wien, Zürich und Sofia tätige Rechtsanwalt Boris Metodiev: „Für die Begründung von Hypotheken forderten die Banken von Bulgarien eine Verlängerung der Wirksamkeit der Hypotheken Registereintragungen von zehn auf zwanzig Jahre.“
Mit einer Entlastung der Bauträger ist in der kommenden Zeit für die Slowakei zu rechnen. Kostet die Umwidmung von landwirtschaftlichem Grund in Bauland derzeit, je nach Qualität des Bodens, bis zu 15 Euro pro Quadratmeter, soll diese Gebühr entweder auf zehn Cent sinken oder vielleicht sogar vollkommen wegfallen.
Die rechtliche Priorität sehen Experten aber an anderer Stelle: Denn Rechtssicherheit heißt nicht, dass es möglichst einfach ist. Wichtig sei die Vorhersehbarkeit und die Klarheit der Prozesse.

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