Chronologie: Eine "Hinrichtung" auf offener Straße

Chronologie Eine Hinrichtung offener
Chronologie Eine Hinrichtung offener(c) Hans Klaus Techt
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Am 13. Jänner 2009 wird der Tschetschene Umar Israilov in Wien erschossen. Drahtzieher ist für die Ermittler Tschetscheniens Präsident Kadyrow.

13. Jänner 2009: Zwei zunächst Unbekannte schießen um 12 Uhr in Wien-Floridsdorf auf offener Straße mehrmals auf Israilov. Während der Flucht wird der 27-Jährige in der Ostmarkstraße dreimal getroffen. Er stirbt wenig später im Spital. Noch am selben Tag verhaftet die Polizei in Niederösterreich Otto K. (42), den Besitzer des mutmaßlichen Fluchtwagens. Der Versicherungsmakler gilt laut Staatsanwaltschaft (StA) Wien als Organisator der Straftat und soll Kontakt zur tschetschenischen Führung gehabt haben.

15. Jänner 2009: Die StA gibt bekannt, dass Israilov sich bedroht gefühlt und beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) vergeblich um Personenschutz gebeten hat. Die damals "vage Bedrohungslage" habe keine Sofortmaßnahmen notwendig gemacht, heißt es.

16. Jänner 2009:
Der Vater des Getöteten berichtet in einer "öffentlichen Erklärung" über Drohungen von russischer Seite gegen seinen Sohn, da dieser versuchte, gegen Verbrechen unter Kadyrow rechtlich vorzugehen. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) teilt später mit, dass Israilov in einem Verfahren gegen Kadyrow am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Kronzeuge fungieren wollte.

19./20. Jänner 2009: Medienberichte, laut denen das LVT durch einen Asylwerber von Mordplänen an Israilov wusste, werden offiziell bestätigt. Auf einer Internetliste mit mehr als 2.500 angeblichen Zielpersonen des russischen Geheimdienstes findet sich der Name Umar Israilov. Eine Rebellengruppe hat diese im Februar 2008 veröffentlicht, das Innenministerium spricht von einem Propagandainstrument.

22. Jänner 2009: Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl räumt eine Fehleinschätzung der Polizei ein. Israilov wird unter strenger Bewachung am Zentralfriedhof beigesetzt.

28. Jänner 2009: Die Polizei nimmt in Niederösterreich, Wien und Oberösterreich sieben Männer aus Tschetschenien fest. Bei 18 Hausdurchsuchungen in vier Bundesländern entdecken die Ermittler zwei Patronenhülsen Kaliber 7,65 mm - passend zur Mordwaffe. Bis auf Suleyman D. (36), der als Beitragstäter gilt, werden alle Verdächtigen wieder freigelassen.

20. Februar 2009: Einer der mutmaßlichen Haupttäter, der gebürtige Tschetschene Turpal-Ali J., wird in Polen in einem Hotel bei Warschau festgenommen und später nach Österreich ausgeliefert. Die Ermittler gehen aber davon aus, dass der 31-Jährige nicht der Todesschütze ist. Getroffen haben Israilov demnach die drei von seinem flüchtigen Komplizen Letscha B. abgefeuerten Kugeln.

2. Mai 2009: Kadyrow weist in einem Interview mit der "Presse" die Verwicklung in den Mordfall zurück: "Ich habe ihn nicht getötet", wird der Präsident zitiert.

3. September 2009: Der bisherige Leiter des LVT in Wien, Werner Autericky, tritt aus persönlichen Gründen zurück. "Der Rücktritt war ein freiwilliger Akt von mir", betont er. Dass sein Abgang etwas mit dem Fall Israilov zu tun hat, stellt er in Abrede.

27. April 2010: Das Wiener LVT sieht in seinem Abschlussbericht Kadyrow als Drahtzieher hinter dem Mord an Israilov. Die Anschuldigungen gegen den Präsidenten hätten sich "aufgrund von Indizien" ergeben, erklärt die StA. Demnach wollte Kadyrow, dass der Flüchtling gekidnappt wird, dies ging schief und endete mit einem Mord. Laut LVT gibt es auch den Verdacht auf einen geheimdienstlichen Nachrichtendienst in Österreich.

29. April 2010: Via Radiosender Moskauer Echo weist Kadyrow Anschuldigungen gegen ihn erneut zurück: Dieser habe "niemanden angewiesen, weder direkt noch indirekt, illegale Aktionen gegen Israilov auszuführen", so Präsidentensprecher Alwi Karimow.

6. September 2010: Ein ehemaliger Informant des Wiener LVT, Kosum Y., war laut StA in den Fall verwickelt. Seine Rolle ist undurchsichtig: Der ältere Bruder des inhaftierten Hauptverdächtigen Turpal-Ali Y. hatte Kontakt zu Otto K. und einen Autoabstellplatz, der den Verdächtigen mehrfach als Treffpunkt diente.

16. November 2010: Im Wiener Straflandesgericht beginnt der Prozess gegen Otto K., Turpal-Ali Y. und Suleyman D. Die Anklage lautet auf Beteiligung am Mord, Bildung einer kriminellen Vereinigung und versuchte Überlieferung an eine ausländische Macht verantworten. Der mutmaßliche Schütze Letscha B. ist nach wie vor flüchtig.

19. November 2010: Das Gericht gibt bekannt, dass Kadyrow zu seiner angeblichen Rolle als "Drahtzieher" zeugenschaftlich befragt werden soll. Ein im weiteren Verlauf an die Moskauer Generalstaatsanwaltschaft gerichtetes Rechtshilfeersuchen, Kaydrow stellig zu machen und allenfalls im Rechtshilfeweg zu den im Raum stehenden Vorwürfen zu befragen, bleibt allerdings unbeantwortet.

24. Jänner 2011: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) fordert Österreich auf, Druck auf Russland auszuüben, um auch die russischen Behörden dazu zu bringen, Untersuchungen im Fall Israilov vorzunehmen. Österreich unternehme "zumindest öffentlich" in dieser Hinsicht "zu wenig", beklagt der Berliner HRW-Mitarbeiter Wenzel Michalski. Replik von Außenminister Michael Spindelegger (V): Er wolle sich nicht in ein laufendes Verfahren einmischen, es "brauche keinen Zuruf aus der Verwaltung, Justiz und Verwaltung sind getrennt".

25. Jänner 2011: Nach zweimonatiger Verhandlungsdauer wird im Israilov-Prozess ein Lokalaugenschein am Tatort vorgenommen.

31. Mai 2011: Das Beweisverfahren im Israilov-Prozess ist abgeschlossen, die Urteile sollen am 1. Juni verkündet werden.

(APA)

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