Bekam Kadyrow Post aus Wien?

(c) AP (DMITRY NIKIFOROV)
  • Drucken

Tschetscheniens Präsident will kein Schreiben des Wiener Gerichts erhalten haben.Er wird verdächtigt, hinter der Ermordung Israilows zu stehen. Indes versuchte Moskau, das Thema "Israilow" medial kleinzuhalten.

Moskau. Die Einvernahme per Video ist in Russland ein Justiznovum. Dass genau der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow diese dort bereits in Anspruch genommen hat, wirkt aus österreichischer Sicht wie eine Ironie. Auch die Wiener Richter im Israilow-Prozess hatten eine Einvernahme Kadyrows per Video vorgeschlagen, verdächtigen sie ihn doch, hinter der Ermordung Israilows zu stehen.

Ende April bei einem Prozess in Moskau: Gut gelaunt ist Kadyrow aus der tschetschenischen Hauptstadt Grosny zugeschaltet. Vorbestraft sei er „noch nicht, haha“, sagt er, „ich habe sehr saubere und weiße Hände, vor zwei Tagen war ich bei der Maniküre“.

Im Moskauer Prozess trat er übrigens als Opfer auf. Er hatte gegen den Chef der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, Oleg Orlov, wegen Verleumdung geklagt, weil dieser ihm die Schuld an der Ermordung der Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirova 2009 zugewiesen hatte. Das Urteil wird für nächste Woche erwartet.

Was nun den Prozess in Wien betrifft, so habe Kadyrow, wohlgemerkt, gar keine Vorladung bekommen, erklärt sein Sprecher Alvi Karimow der „Presse“. Das Rechtshilfeersuchen, das Wien an die Moskauer Generalstaatsanwaltschaft gesendet hat, sei demnach gar nicht weitergeleitet worden. Österreichs Präsident Heinz Fischer meinte hingegen während seines jüngsten Moskau-Besuchs, dass „Herr Kadyrow offensichtlich irgendwelche Gründe hatte, nicht zum Gerichtsprozess zu fahren“. Kadyrow-Sprecher Karimow: Hätte Kadyrow den Brief erhalten, hätte er wohl „im Interesse der Sache entschieden. Auszuschließen wäre seine Teilnahme (an einer Videokonferenz, Anm.) nicht.“ Das Wiener Gericht aber hat nicht einmal eine Antwort aus Moskau erhalten. Moskva non locuta, causa finita, gewissermaßen.

Russische Menschenrechtsaktivisten bedauern, dass man in Russland auch medial vom Israilow-Prozess kaum etwas erfahren hat, wenn man nicht gerade die oppositionelle Zeitung „Nowaja Gaseta“, die selbst einige ermordete Journalisten zu beklagen hat, verfolgt hat. Über den Wiener Prozess nicht zu schreiben „ist klar eine Vorgabe von oben“, sagt Oleg Orlov. „Man fürchtet ein solches Thema, das mit Kadyrow und seiner Umgebung zusammenhängt.“

Gezieltes Wegschauen

Orlov verweist auf ein grundsätzliches Problem: „Nicht nur Fälle, die mit Kadyrow zusammenhängen, werden nicht untersucht. Auch in Fällen, die mit seinen Machtstrukturen zu tun haben, wird nicht ermittelt.“

Der Kadyrow-Clan war nach den Tschetschenien-Kriegen zur Oberaufsicht über die Kaukasusrepublik erkoren worden. Kadyrow ruft seit 2009 Flüchtlinge aktiv zur Heimkehr auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ISRAILOV - PROZESS
Wien

Mordfall Israilov: Hohe Haftstrafen für alle Angeklagten

Die drei Angeklagten wurden zu 16 Jahren, 19 Jahren und lebenslanger Haft verurteilt. Sie sollen im Jänner 2009 den tschetschenischen Asylwerber Umar Israilov auf offener Straße in Wien erschossen haben.
Chronologie Eine Hinrichtung offener
Österreich

Chronologie: Eine "Hinrichtung" auf offener Straße

Am 13. Jänner 2009 wird der Tschetschene Umar Israilov in Wien erschossen. Drahtzieher ist für die Ermittler Tschetscheniens Präsident Kadyrow.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.