Plagiatsjäger: Pilz plagiiert Pilz

(c) Clemens Fabry
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Plagiatsjäger Weber, der im Auftrag des Grünen Peter Pilz die Dissertation des EU-Kommissars Johannes Hahn prüfte, kritisiert in einem Gutachten nun Pilz. Der sagt zu den Anschuldigungen: "Alles lächerlich".

Wien. Am 23. Mai nannte Peter Pilz EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) noch einen „Doktoratsschwindler“: 17,2 Prozent der Zeilen in dessen Philosophie-Arbeit (1987) seien plagiiert, zitierte er aus einem Gutachten von Stefan Weber, das die Grünen in Auftrag gegeben hatten. Jetzt ist Pilz selbst ins Visier des Plagiatsjägers geraten: Der Grüne habe ebenfalls in seiner Dissertation abgeschrieben – und zwar von sich selbst. Konkret gebe es ein „(juristisch unproblematisches, aber wissenschaftsethisch verschieden interpretierbares) Selbstplagiat“, schreibt Weber in seinem Kurz-Gutachten, das der „Presse“ vorliegt: Denn die Dissertation des Grünen über die „Ökonomische Bedeutung der Einführung neuer Medien in Österreich“ (1983, Erstbegutachter: Alexander Van der Bellen) sei „wort- und satzspiegelidentisch“ mit der Studie „Ökonomische Bedeutung der neuen Medien in Österreich“ (1982), die das Wissenschaftsministerium beauftragt hatte.

Pilz selbst schreibt zwar in seiner Dissertation, diese „fußt“ auf der Studie. Für Weber ist das nicht genug: Er hätte angeben sollen, dass die Seiten eins bis 182 die Studie „sind“. Außerdem vermutet er „unethische Autorenschaft“, denn Koautor der Studie ist Hannes Werther: Die Arbeitsteilung bei der Studie (auf der die Dissertation beruht) sei unklar.

Pilz zu den Anschuldigungen: „Alles lächerlich. Wenn Weber sich zum Kasperl unter den Plagiatsjägern macht, ist das sein Problem.“ Er habe die Studie korrekt angegeben, und Teile seines Koautors aus der Studie kämen in der Dissertation nicht vor. Er, Pilz, sähe auch eine Prüfung seiner Arbeit durch die (zuständige) Universität Wien „gelassen“.

An Webers Hahn-Gutachten hält Pilz auch nach dem Ärger fest: „Er ist ja ein guter Sammler.“ Allerdings habe ein Entwurf des Gutachtens noch „Vorverurteilungen“ Hahns durch Weber enthalten – diese habe er, Pilz, herausreklamiert. „Er ist Gutachter, nicht Richter. Ich bin froh, dass jetzt die Uni prüft.“

Weber hält an den Anschuldigungen gegen Pilz fest. Außerdem prüft er ein „offenbar verschwiegenes Plagiat“ eines Professors der Medizin-Universität Wien und eine „teilplagiierte Dissertation“ einer Uni-Rektorin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2011)

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