Statt einen Ausweg aus der Schuldenkrise zu suchen wird in den USA über Definitionen gestritten.
Je länger der Zwist um die Anhebung des US-Schuldenlimits andauert, desto absurder die Debatte. Nach einem ideologisch geordneten Auftakt – hier die republikanischen Steuergegner, dort die demokratischen Befürworter einer höheren Abgabenquote – hat die Diskussion eine quasireligiöse Dimension angenommen und gemahnt nun an den spätmittelalterlichen Scholastiker-Disput darüber, wie viele Engel auf der Spitze einer Nadel Platz haben.
Statt um Nadelspitzen und Cherubine geht es in Washington neuerdings darum, ob die Schließung eines steuerlichen Schlupflochs mit einer Anhebung des Steuerniveaus gleichzusetzen ist oder nicht. Wer glaubt, der Sachverhalt wäre ein einfacher, irrt, denn nach der Sichtweise mancher Diskutanten könnte dieser Schritt auch als Streichung einer Subvention interpretiert werden. Das Problem mit diesem Ansatz ist nur, dass er – konsequent zu Ende gedacht – das gesamte Steuerwesen ad absurdum führt. So betrachtet, stellt nämlich jede Steuer, die noch nicht erfunden wurde, einen staatlichen Zuschuss dar.
Angesichts dieser intellektuellen Verrenkungen ist es wohl einfacher, nichts zu tun. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, werden die USA Anfang August genau diesen Weg beschreiten. Zu viel Tanz auf der Nadelspitze macht offensichtlich geistig träge.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2011)