Dalai-Lama-Besuch: Obama erzürnt Hardliner

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Peking reagiert auf Empfang des Dalai-Lama im Weißen Haus mit harscher Protestnote. Von einer „Verletzung der Gefühle des chinesischen Volkes“ ist die Rede - eine unterschwellige Drohung des größten Gläubigers.

Washington. Eigentlich drücken den Präsidenten ja Probleme ganz anderer Natur. In der zähen Schuldendebatte, die Washington seit Wochen lahm legt, hat es Barack Obama mit der Fundamentalopposition der Tea-Party-Fraktion innerhalb der republikanischen Partei zu tun. Damit indes nicht genug der dogmatischen Hardliner: Am Wochenende zog er sich bewusst auch den Unmut der aufstrebenden Supermacht und größten Gläubigernation der USA zu.

Reflexartig verurteilte China ein Treffen Obamas mit dem Dalai-Lama. Angesichts der 90-Jahr-Feiern der KP und des 60. Jahrestags der Okkupation Tibets kam Peking der Empfang besonders ungelegen. Von „einer Einmischung in innere Angelegenheiten“, einer „Verletzung der Gefühle des chinesischen Volkes“ und von einer „Gefährdung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen“ ist in vor Entrüstung triefender Diktion die Rede. Zu den Gepflogenheiten des diplomatischen Erregungsrituals zählt auch die Einbestellung des US-Geschäftsträgers ins Außenamt. Der Botschafterposten ist derzeit nicht besetzt, nachdem Jon Huntsman Ende April aus dem Amt geschieden ist, um sich für die Präsidentenwahlen zu bewerben.

Mit 1,2 Billionen in der Kreide

Die Drohung ist indessen nicht ohne aktuelle Brisanz. Die USA stehen bei China mit 1,2 Billionen Dollar in der Kreide. Wiederholt forderten chinesische Politiker Washington zur Spardisziplin auf und rüttelten gar am Dollar als Leitwährung. Zuletzt stellte die chinesische Ratingagentur Dagong eine Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit in Aussicht. Für die kommenden Wochen haben sich Außenministerin Hillary Clinton und Vizepräsident Joe Biden zu einem Besuch in China angesagt.

Dabei hat Präsident Obama seine als „privat“ deklarierte Begegnung mit dem Dalai-Lama keineswegs an die große Glocke gehängt. Das Weiße Haus hatte das Treffen der beiden Friedensnobelpreisträger kurzfristig angekündigt, woraufhin in Peking prompt die Forderung nach einer Absage laut wurde. Es fand am Samstag im Map Room des Weißen Hauses in betont lockerer Atmosphäre statt.

Laut Stoppuhr des Protokolls dauerte es 44 Minuten, Medien waren nicht zugelassen. Das Weiße Haus veröffentlichte ein Foto und ein Statement, in dem Obama für den Schutz der Menschen- und Minderheitenrechte der Tibeter und für einen Dialog mit Peking eintrat. Kurz vor seiner ersten China-Visite im Herbst 2009 hatte sich Obama Kritik eingehandelt, als er einen Besuch des Dalai-Lama im Weißen Haus ausschlug. Er empfing ihn ein halbes Jahr später. Der Dalai-Lama hielt sich anlässlich einer religiösen Zeremonie in Washington auf. Seine politische Funktion als Exilführer hat das geistliche Oberhaupt der Tibeter zwar aufgegeben, aber als Symbolfigur kommt dem 76-Jährigen eine übergeordnete Rolle zu. Inmitten von Verhandlungen über die Anhebung des US-Schuldenlimits traf er auch die Kongressführer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2011)

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