Oppositionsführerin Julia Timoschenko bleibt in Haft

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Ein Gericht in Kiew ordnete am Montag trotz internationaler Proteste die Verlängerung der Untersuchungshaft für Timoschenko an. Die ukrainische Opposition will das nicht hinnehmen: Tausende gingen auf die Straße.

Danzig/Kiew. Ein Kiewer Bezirksgericht hat am Montag die Freilassung von Julia Timoschenko abgelehnt. Die Anwälte der ukrainischen Oppositionsführerin und ehemaligen zweifachen Regierungschefin hatten am Wochenende beantragt, Timoschenko aus der Untersuchungshaft in einen Hausarrest zu entlassen. „Sie hat die Strafprozessordnung systematisch verletzt und ist wiederholt zu spät vor Gericht erscheinen“, begründete der Richter den Beschluss, die Haft zu verlängern.

Immerhin musste Timoschenko am Montag nicht wie in solchen Fällen üblich in einem Metallkäfig eingesperrt vor dem Richter erscheinen. Ihr blondes Haar zu einem Kranz hochgesteckt, trat sie bewacht von drei Polizisten in einem weißen Kleid auf. Schweigend hörte sie mit entschlossener Mine ihr Verdikt an. Timoschenko war am Freitag festgenommen und in das nahe Untersuchungsgefängnis überführt worden. Zuvor konnte sie ihren Prozess wegen angeblichem Amtsmissbrauch bei den ukrainisch-russischen Gaslieferverhandlungen von 2009 sechs Wochen lang auf freiem Fuß beiwohnen.

Dutzende von Regierungen, darunter auch Deutschland und die USA sowie Vertreter der EU protestierten gegen die Festnahme und mahnten die Einhaltung der Menschenrechte in der Ukraine ein. Die USA fordern zudem Zugang für ihre diplomatischen Vertreter in Kiew zu Timoschenko.

EU-Abkommen als Druckmittel

Die Ukraine handelt gegenwärtig ein Freihandels- und Assoziationsabkommen mit der EU aus. In Kiew gibt man sich überzeugt, wirtschaftliche Reformen allein würden dazu genügen. Noch werden erst vereinzelt Rufe nach einem Stopp dieser Gespräche laut – ein Druckmittel wären sie aber allemal.

Derweil versammelten sich am Montag auf dem zentralen Boulevard Chreschtschatik laut unterschiedlichen Angaben zwischen 500 und 5000 Demonstranten, um Timoschenkos Freilassung zu fordern. „Schande, Schande!“, skandierte die Menge. Gegen Mittag hatten auch die „Blauen“, die Anhänger des pro-russischen Staatspräsidenten Wiktor Janukowitsch, ihre Parteisoldaten auf den Chreschtschatik geschickt. Laut Agenturberichten kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen und der Polizei.

Montagmittag veröffentlichten Spitzenpolitiker von zehn Oppositionsparteien eine gemeinsame Erklärung, in der sie das Volk zu Widerstand und Protesten aufriefen. „Das Regime will mit Repression und Verhaftungen eine Diktatur in der Ukraine einführen“, warnte das von ihnen gegründete „Komitee gegen die Diktatur“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2011)

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