Die rosa Welt der Kindermodels

rosa Welt Kindermodels
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Sie sind noch keine zehn Jahre alt, aber posieren vor Kameras wie Vollprofis. Kindermodels gibt es auch in Österreich – nur anzügliche Aufnahmen, sagen Agenturen, die gebe es nicht.

Ein blutjunges, dunkelblondes Mädchen posiert auf dem Cover einer französischen Modezeitschrift mit High Heels, verführerischem Blick und in aufreizender Pose. Nicht weiter ungewöhnlich, möchte man meinen. Allein, das Mädchen ist gerade einmal zehn Jahre alt. Thylane Loubry Blondeau heißt die Tochter von Ex-Fußballer Patrick Blondeau und Designerin Veronika Loubry, die zuletzt eine Grundsatzdiskussion über die zulässigen Grenzen hervorgerufen hat, was Kindermodels tun dürfen. Und was nicht.

„Ich finde es wirklich schrecklich, wenn Kinder so sexy angezogen werden“, sagt Kathryn Thomashoff. Die Geigerin ist vor allem deshalb besonders stark betroffen, weil sie Erfahrung mit dem Thema hat. Denn auch ihre beiden Kinder Anna (7) und Elisabeth (9) sind Kindermodels. Sie haben von Schuh- bis Lebensmittelwerbung schon so ziemlich alles gemacht, was der österreichische Markt hergibt. Wobei ihre Mutter immer auf eines achtet, nämlich, dass sie nur für familienfreundliche Produkte werben.

Gesucht: abstehende Ohren. Die Kinderabteilung der Agentur AMT, die die Thomashoff-Kinder in ihrem Portfolio hat, wird von Wendy Gschaider betrieben. Sie ist seit 15 Jahren im Geschäft und konzentriert sich fast ausschließlich auf die Vermittlung von Kindern. Wobei sie gar nicht auf der Suche nach den „schönen Gesichtern ist“: „Bei Kindern ist schon seit Jahren der freche Typ gefragt, mit abstehenden Ohren oder Sommersprossen“, erzählt sie.

Das könnte auch daran liegen, dass Gschaider in erster Linie Kinder für Produktwerbung in Magazinen und im Fernsehen oder für kleine Rollen in Filmen castet. Modeproduktionen sind hierzulande selten. Damit bleibt Gschaider auch erspart, Kinder für Fotos wie die von Thylane Loubry Blondeau zu casten: „Das ist genau das, was ich nicht machen will“, sagt Gschaider, „Kinder als Sexobjekte darstellen.“ Sie vermutet, dass hinter den Fotos vor allem eine Absicht stand: „Der Fotograf wollte einfach auffallen.“

So sieht es auch Roberta Manganelli von der Agentur Stella Models: „Als Mutter verurteile ich diese Fotos ganz klar“, sagt sie, „aber ich kann den Fotografen auch verstehen.“ Es sei heutzutage schwierig, etwas zu schaffen, was vorher noch niemand gesehen hat. Dementsprechend überrascht es auch nicht, dass immer jüngere Mädchen gecastet werden – wenn auch nicht alle ganz so jung wie Thylane sind. „Viele Mädchen können heute schon mit 14 Jahren international zu arbeiten beginnen“, sagt Manganelli. Das sei auch prinzipiell in Ordnung, weil man dann früher das Geschäft kennenlerne. „Dann haben sie mit 17 oder 18 Jahren einen besseren Blick für die Branche.“

Auch Wendy Gschaider hat den Trend zu immer jüngeren Models bemerkt – und hat sich deshalb Regeln zum Wohl des Kindes auferlegt. Schon bei den Castings achtet sie darauf, dass Eltern mit Kindern nicht lange warten müssen. Und wenn sie bemerkt, dass in Wirklichkeit die Eltern die Karriere des Kindes mehr wollen als das Kind selbst, dann werden sie gnadenlos aus der Kartei genommen. Das passiert häufig. „Es gibt ganz viele Dracheneltern in dieser Branche“, sagt auch Kathryn Thomashoff, „die versuchen das Kind dann mit Geschenken zum Mitmachen zu locken.“


Gut für die Erziehung?
Hart arbeiten müssen die Kinder als Models allemal. Die Termine sind äußerst kurzfristig anberaumt, oft erfährt man erst einen Tag davor davon. Fürs Fernsehen muss dann auch noch schnell der Text gelernt werden. Nicht alle Kinder halten diesem Druck stand. „Ich kenne viele, die nach einem Jahr wieder aufhören“, sagt Thomashoff. Ihre Kinder seien es aber gewöhnt, unter Druck zu arbeiten. Ihre Töchter haben als angehende Musikerinnen auch mehrstündigen Musikunterricht am Tag. Die Modelarbeit würden sie eher als Entspannung erleben. „Sie lieben das.“ Wobei sie auch merkt, dass ihren Kindern nach einer Produktion der Ruhm zu Kopf steigen kann. „Dann gebe ich ihnen ein schwieriges Musikstück zum Lernen, und sie kommen ganz schnell wieder runter.“

Mit Familien wie den Thomashoffs arbeitet Wendy Gschaider am liebsten zusammen. Sie hätten kein finanzielles Interesse an der Arbeit der Kinder (auch das hätte sie schon erlebt) und seien es gewöhnt, die Freizeit ihrer Kinder zu managen. Der Zeitaufwand ist auch im Mini-Model-Business ein beträchtlicher. Vier bis acht Stunden dauert ein Arbeitstag – auch für die Kleinen. Dass dabei ein Kind zu quengeln beginnt und die Arbeit abbrechen will, das komme bei solchen Shootings auch immer wieder vor. „Im äußersten Notfall wird dann ein Ersatzkind genommen“, sagt Gschaider.

Das mag in diesem Moment für alle Beteiligten unangenehm sein. Doch auf der anderen Seite zeigt es auch etwas sehr deutlich auf: Es sind eben noch Kinder.

Thylane Loubry Blondeau. Das zehnjährige Model erregte im Jänner Aufsehen, als es in der französischen „Vogue“ von Designer Tom Ford als Lolita abgelichtet wurde. Nun wurden die Fotos auch in der englischen Ausgabe der „Vogue“ veröffentlicht. Kritiker sind über die Bilder schockiert. Die Debatte über eine Sexualisierung von Kindern ist damit wieder aufgeflammt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2011)

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