Gewerkschaft will Italiens Sparpaket "wegstreiken"

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Die Gewerkschaften reagieren mit Zorn auf das von der italienischen Regierung verabschiedete "Spardekret" in Höhe von 45 Milliarden Euro.

Rom. Unter dem Druck von EZB und EU will Italien strenger sparen. Wie berichtet, verabschiedete die italienische Regierung am Freitagabend im Rahmen einer Sondersitzung ein "Spardekret" in Höhe von 45 Mrd. Euro. Neben Einsparungen – etwa durch die Zusammenlegung von Provinzregierungen – sind darin aber auch Steuererhöhungen enthalten.

Die Proteste gegen das Paket ließen nicht lange auf sich warten. Schon am Wochenende drohten die Gewerkschaften mit einem Generalstreik im Herbst. Eine Entscheidung darüber soll am 23. August gefällt werden. Die Opposition verlangt wiederum massive Nachbesserungen. Und auch aus den Provinzen hagelt es empörte Reaktionen, trifft ein beträchtlicher Teil der neuen Kürzungen doch wieder sie. Fast zehn Mrd. Euro sollen sie sparen, 38 der 110 lokalen Regierungen und Verwaltungen sollen wegfallen und 50.000 Stellen und politische Mandate in Gemeinden, Provinzen und Regionen gestrichen werden.

Auch die Ministerien in Rom müssen in den kommenden beiden Jahren noch einmal 8,5 Mrd. Euro kürzen. Der teure Parlamentsbetrieb in der Hauptstadt dagegen kam mit eher milden Einschnitten davon.

Neben den Einsparungen neu eingeführt wird indes eine Solidaritätsabgabe, auch „Eurosteuer“ genannt – für Besserverdienende. Wer mehr als 90.000 Euro im Jahr verdient, muss fünf Prozent abführen, bei Einkommen über 150.000 Euro werden zehn Prozent fällig. Bei dieser Maßnahme wird kritisiert, dass sie erneut jene trifft, die ihre Einkommen korrekt versteuern. Schwarzgelder könnten durch eine Steuer auf Vermögen leichter „erwischt“ werden, so die Kritiker.

Ebenfalls höher – mit 20 statt 12,5 Prozent – werden in Zukunft Börsengewinne besteuert. Zudem steigen die Abgaben für Tabak, Treibstoff und Glücksspiele. Die Mehrwertsteuer dagegen bleibt unangetastet, und auch die Immobiliensteuer für Erstwohnungen, die Berlusconi abgeschafft hat, wird nicht wieder eingeführt.

Ziel: Nulldefizit bis 2013

Durch die Maßnahmen soll das Budgetdefizit bereits im kommenden Jahr um 20 Mrd. Euro gesenkt werden (von derzeit knapp vier Prozent des BIPs auf 1,6 Prozent). Weitere 25 Mrd. sollen sie im Jahr 2013 bringen. Auf diese Weise soll schon 2013 statt 2014 ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden. Erst am Freitag wurde bekannt, dass die italienische Staatsverschuldung im Juni mit 1,9 Billionen Euro einen neuen Rekordwert erreicht hatte.

"Es ist klar, dass uns das Herz blutet", räumte Premierminister Silvio Berlusconi vor der Presse ein – und meinte damit nicht zuletzt sich selbst. Sein Kabinett hatte im Juli bereits ein Sparpaket von knapp 50 Mrd. Euro verabschiedet, damit aber weder die Märkte noch die europäischen Nachbarn beruhigen können. "Diese Regierung hat bisher nie ihre Hände in die Tasche der Italiener gesteckt", so scherzte Berlusconi. Nun aber habe sich die weltweite Situation geändert, und es gebe keine Alternative für Italien.

„Dieses Sparpaket geht in die Richtung, die sich die Europäische Zentralbank gewünscht hat.“ Damit bestätigte er, dass er nicht ganz freiwillig gehandelt hat. Etliche italienische Politiker und Kommentatoren sprechen bereits davon, dass Italien unter europäischer "Zwangsverwaltung" stehe.

Auf einen Blick

Italien will in den kommenden zwei Jahren das Budgetdefizit durch Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen um 45 Mrd. Euro senken. 2013 soll so ein ausgeglichener Staatshaushalt vorgelegt werden. Von Opposition und Gewerkschaften gibt es heftige Kritik an den Plänen. Letztere drohen für Herbst bereits mit einem Generalstreik. Ob es zur kollektiven Arbeitsniederlegung kommt, soll am 23. August entschieden werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2011)

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