Kaltenbrunner: „Im Tal warten die Kameltreiber“

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Gerlinde Kaltenbrunner und ihre Begleiter wollen nach ihrem Erfolg auf dem K2-Gipfel in 8611 Meter Höhe heute bis ins Basislager absteigen. Kaltenbrunner hat mit ihrer Leistung Alpingeschichte geschrieben.

Wien. Immer wieder hat Gerlinde Kaltenbrunner erklärt, warum sie von Begriffen wie „Gipfelsturm“ und „Gipfelsieg“ nichts hält. Weil sie Berge nicht bezwingen möchte, weil sie versuche, Berge lediglich zu besteigen. Vor allem aber, weil zum Bergerlebnis auch der sichere Abstieg zähle.

Am Dienstag erreichte Gerlinde Kaltenbrunner um 18.18 Uhr Ortszeit mit ihren drei Begleitern Maxut Zhumayev, Vassiliy Pivtsov und Dariusz Zaluski den Gipfel des K2. Den Fuß auf die Spitze des mit 8611 Meter zweithöchsten Berges der Welt zu setzen bedeutete für die 40-Jährige, alle 14 Achttausender bestiegen zu haben – als erste Frau, ohne künstlichen Sauerstoff verwendet zu haben.

Und es bedeutet auch einen Augenblick größter Emotionen: „Sie hat mich vom Gipfel angefunkt und zuerst einfach nur geweint“, erzählte ihr deutscher Ehemann Ralf Dujmovits (Porträt siehe nebenstehenden Artikel). Er war mit dem sechsten Expeditionsteilnehmer Tommy Heinrich im auf 4600 Meter Höhe gelegenen Basislager zurückgeblieben. Kaltenbrunner bedankte sich für das Geschenk, auf dem Gipfel stehen zu dürfen. 15 Minuten später erreichten ihre drei Begleiter ebenfalls über die anspruchsvolle Nordroute den Gipfel. Nur kurz konnte das Quartett die unglaubliche Fernsicht genießen, unmittelbar danach begann der gefährliche Abstieg.

Unterwegs bis Mitternacht

Kaltenbrunner und der Pole Zaluski erreichten gegen Mitternacht das Lager IV auf rund 8000 Meter Höhe. Die Kasachen Zhumayev und Pivtsov hatten sich im höher gelegenen Biwak ausgerastet und waren erst Mittwochmorgen weiter abgestiegen.

Bis Mittwochabend wollten die vier das Lager I auf 5300 Meter Höhe erreichen. „Dort werden sie eine Nacht am Fuß des Nordpfeilers verbringen und heute früh über den inzwischen extrem spaltigen Gletscher zu unserem Depot absteigen. Wo ich sie hoffentlich gesund und munter in Empfang nehmen kann“, skizzierte Dujmovits, der zwischen 1990 und 2007 alle 14 Achttausender bestiegen hatte, die weitere Marschroute.

Von dort seien es mit dem Gepäck dann nochmals einige Stunden über den aperen K2-Gletscher bis in das Basislager, danach ein dreieinhalbstündiger Marsch bis ins „Chinese Basislager“, wo die Alpinisten bereits von Kameltreibern erwartet werden, wie Dujmovits erzählte.

Der Abstieg ist für Kaltenbrunner und ihr Team auch deshalb so gefährlich, weil ihnen die Strapazen der extrem anstrengenden Aufstiegstage noch in den Gliedern stecken: Heftiger Niederschlag hat die Gruppe im hüfttiefen Schnee zum Spuren im steilen Gelände verurteilt, was den Aufstieg zusätzlich gebremst hat. Deshalb hat sie das Risiko genommen, von Montag auf Dienstag 300 Höhenmeter unter dem Gipfel noch einmal zu biwakieren. Das war angesichts der extremen Temperaturen um –25 °C, der schwindenden Lebensmittelreserven und der den Körper belastenden Höhenlage äußerst riskant. Zudem war es den Alpinisten unmöglich gewesen, ihre Schuhe bis zum Aufbruch um 1.30 Uhr Früh vollkommen trocken zu bekommen. Das bedeutete kalte Füße, verminderte Durchblutung – ein zusätzliches Gefahrenmoment. Die ersten Sonnenstrahlen nutzten sie daher erst einmal, um sich und vor allem die eiskalten Beine etwas aufzuwärmen. Dennoch erreichten sie nach elfstündigem Gewaltmarsch den Gipfel.

„Zusatzsauerstoff ist Doping“

Gerlinde Kaltenbrunner hat mit ihrer enormen Leistung Alpingeschichte geschrieben. Das reflektieren Medienberichte in aller Welt, die Kaltenbrunners Expeditionen würdigen und betonen, dass sie die 14 Achttausendergipfel „by fair means“, das heißt im Alpinstil, ohne Fixseile und ohne Hochträger erreicht hat. Und ohne Sauerstoffgerät. „Zusatzsauerstoff ist Doping“, sagte etwa Wolfgang Wabel, Ressortleiter für Spitzensport im Deutschen Alpenverein gegenüber „Bergsport heute“. „Ernsthaftes Leistungsbergsteigen findet ohne ihn statt, rauf und runter. Man startet auch nicht mit dem Motorrad zum Marathon“, verdeutlichte er, wie verpönt künstlicher Sauerstoff in der Bergsteigerszene ist.

Mit Kaltenbrunners erfolgreichem Aufstieg auf den K2-Gipfel im siebenten Anlauf erwacht die Erinnerung an eine andere legendäre Bergsteigerin, die 1992 als erste Frau auf allen 14 Achttausendern stehen wollte. Wanda Rutkiewicz, die in Litauen geborene Polin mit österreichischem Pass, wollte an die Erfolgsserie des Südtirolers Reinhold Messner und des Polen Jerzy Kukuczka anschließen.

Sechs Achttausender hatte Rutkiewicz 1991 bereits bestiegen, darunter den K2 (1986), den sie als erste Frau ohne künstlichen Sauerstoff bezwungen hatte. Die restlichen acht Gipfel wollte sie 1992 in einem Marsch besteigen. „Karawane der Träume“ nannte Rutkiewicz dieses Abenteuer, die im Gegensatz zu Kaltenbrunner ganz bewusst Jagd darauf gemacht hatte, die Erste auf allen Achttausendern zu sein. Zwei Gipfel hat Rutkiewicz bei ihrem Marathon erreicht, knapp unterhalb jenes des Kangchendzönga wurde sie noch gesehen, seither gilt sie als vermisst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2011)

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