Spindeleggers kurzer Schüssel-Kurs

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Kein anderer hat sich so laut und deutlich Schüssel zum Vorbild genommen wie Spindelegger. Er nannte seinen abtretenden Parteifreund einen „Ehrenmann“. Schüssels Rückzug hinterlässt Ratlosigkeit in der Partei.

Wien. Es muss hart für Wolfgang Schüssel gewesen sein. Am Dienstag erklärte SPÖ-Chef Werner Faymann nach dem Ministerrat den staunenden Journalisten: Die FPÖ-Regierungsbeteiligung sei zwar „schmerzlich“ gewesen, aber Wolfgang Schüssel habe „sicher auch viel Positives vorangebracht“. Und: Sein Vorvorgänger sei „präzise und analytisch“ gewesen, so Faymann.

Faymann kann es sich das Lob leisten: Noch selten zuvor gingen die Medien mit einem Ex-Kanzler so hart ins Gericht. Noch selten zuvor waren die Kommentare auf einen Rücktritt so hämisch und negativ. Was vielleicht als Befreiungsschlag für den um Profil und Leadership in den kleinen und großen Krisen der ÖVP kämpfenden Michael Spindelegger gedacht war, scheint nun nur ein Problem des neuen ÖVP-Chefs aufzuzeigen: Wie hält er es mit Schwarz-Blau und dessen Architekten, Wolfgang Schüssel?

Spindelegger nannte seinen abtretenden Parteifreund natürlich einen „Ehrenmann“, bei Schüssels letzter Pressekonferenz saß Spindelegger aber nicht an seiner Seite. Dabei wollte ausgerechnet der Niederösterreicher die Aussöhnung zwischen den Schüssel-Anhängern und denen, die sich von Josef Pröll eine neue, moderne Politik erhofften, erreichen. Oder besser: Eigentlich hatte sich Spindelegger nach Pröll klar für die Schüssel-Linie ausgesprochen. Wohl auch, um die in den letzten Monaten der Obmannschaft verunsicherte Parteibasis für sich zu gewinnen, hatte Spindelegger auf dem Parteitag in Innsbruck bei seiner programmatischen Rede die Schüssel-Ära als goldene skizziert. Hatte dessen Politik beschworen und dafür donnernden Applaus sowie eine hohe Zustimmung von 95,5 Prozent erhalten.

Die Rede am 20. Mai war eine kleine Hymne auf den Ex-Kanzler, der reglos in der zweiten Reihe saß und den Spindelegger direkt ansprach, gewesen: „In diesem Jahrhundert warst du es, lieber Wolfgang Schüssel, der diesem Land seinen Stempel aufgedrückt hat. Du hast die Wende zustande gebracht. Plötzlich haben die Menschen gespürt: Ein ordentliches Budget ist wichtig und machbar; Politik muss die gestaltende Kraft sein, die Reformen vorantreibt.“

Damit wolle er, Spindelegger, nun weitermachen. In den kommenden Wochen wird dies der ÖVP-Chef vermutlich nicht genauso formulieren. Er habe durch den Rücktritt Schüssels Luft zum Manövrieren bekommen, heißt es in der Volkspartei. Was darunter zu verstehen ist, erschließt sich dem Beobachter nicht, die Partei wirkt nach dem Schüssel-Aus und sechs Monate nach dem Pröll-Rücktritt ratlos.

Spindelegger war zuletzt nicht nur durch die Telekom-Austria-Vorwürfe gegen das BZÖ in der Regierungszeit Schüssel unter Druck geraten: Zwar hielten sich die internen Kritiker, wie jene aus der Steiermark, ausnahmsweise zurück, aber der Koalitionspartner SPÖ wurde zur Vorbereitung des Faymann-Auftritts im ORF-Sommergespräch plötzlich aktiv und aggressiv.

Der Kanzler forderte wieder eine Wehrpflicht-Volksabstimmung, die Partei die Vermögenssteuer. Spindelegger sprach im Ministerrat vor einer Woche erstmals den Verdacht aus, die SPÖ wolle ihr Heil offenbar in Neuwahlen suchen. Faymann beruhigte.

Schüssel zieht übrigens im ORF: Mit 516.000 Zusehern hatte der „Runde Tisch“ zu seinem Rücktritt (und ohne ihn) mehr als jeder andere seit 2009 – und mehr als die „Sommergespräche“ Faymanns (437.000) und Spindeleggers (271.000 Menschen).

Auf einen Blick

Wolfgang Schüssel trat am Montag als Nationalratsabgeordneter zurück, nachdem ein veritabler Skandal während seiner Regierungszeit bekannt wurde. Die Telekom Austria hatte den ÖVP-Koalitionspartner BZÖ offenbar bestochen; an einzelne Minister der aus der FPÖ entstandenen Partei wie Hubert Gorbach und Mathias Reichhold soll direkt Geld geflossen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2011)

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