Iris Apfel: New Yorks älteste Stilikone

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Iris Apfel hatte immer schon einen Hang zu extravaganten Outfits. Doch noch nie war die 90-jährige New Yorkerin damit so gefragt wie jetzt. Dabei ist es nicht so, dass Iris Apfel ein neues Phänomen wäre.

Sie sei, befand die „New York Times“ kürzlich, der jüngste Popstar der Modewelt. Auch wenn das im Englischen („latest“) freilich nicht ganz so lustig klingt wie auf Deutsch: Denn tatsächlich dürfte Iris Apfel die älteste sein, der so ein Titel umgehängt wird.

Dabei ist es nicht so, dass Iris Apfel ein neues Phänomen wäre. Seit sie mit acht für ein Porträtfoto nicht wusste, was sie anziehen sollte und sich aus einem Küchentuch ein Kleid drapierte, pflegt die Dame ihren eigenen Stil. Sie verfolgte eine Karriere als Innendesignerin und war im New Yorker Gesellschaftsleben immer schon irgendwie präsent.

Doch so richtig zur Kultfigur wurde sie in den letzten paar Jahren – was sie selbst übrigens ziemlich amüsiert. „Ich bin hot, ich bin cool, ich habe sogar eine Fan-Base“, stellt die 90-Jährige, die sich ein „geriatrisches Starlet“ nennt, erstaunt fest. Es begann 2005, als das Costume Institute des Metropolitan Museum of Art ein paar ihrer Schmuckstücke ausleihen wollte – und vielleicht auch ein paar Kleider, um die Stücke in Kontext zu setzen. Apfel, damals immerhin schon weit über 80, öffnete ihren Kleiderschrank und fand sich und ihren Stil am Ende als Thema der Ausstellung wieder.

Beschreiben lässt sich ihr Auftreten am besten als optische Sammlung ihrer Lebensgeschichte. Mit ihrem Mann führte sie über Jahrzehnte die Textil- und Designfirma Old World Weavers, die sich auf die Reproduktion von Stoffmustern aus dem 18. und 19.Jahrhundert spezialisierte. Gemeinsam bereiste das Paar Afrika, den Orient, Indien und Asien. Überall ließ sich Apfel inspirieren. Noch bevor Multikulturalismus überhaupt ein Wort gewesen sei, meinte die „New York Times“-Kunstkritikerin Roberta Smith einst, habe Iris Apfel das Konzept schon getragen. Und zu jedem Stück hat sie eine Geschichte.


Das Ergebnis ist ein Look, der im wahrsten Sinn des Wortes unverkennbar ist – anders als bei vielen Prominenten, deren Namen man zwar bestens kennt, aber Gefahr läuft, im Ernstfall an ihnen vorbeizulaufen. Das verhindert bei Apfel schon die charakteristische Brille. „Ohne die“, sagt sie, „gibt's mich nicht.“

Die Ausstellung im Metropolitan Museum war ein so großer Erfolg, dass sie auf Wanderschaft geschickt wurde. 2007 wurde Apfel für die italienische „Vogue“ fotografiert, im gleichen Jahr widmete ihr Fotograf Eric Broman mit „Rare Bird of Fashion“ einen opulenten Bildband, der sich wohl prächtig in den Lofts und Apartments ihrer Adoranten macht. Nun, heißt es, sei auch noch eine Dokumentation für das Kino geplant.

Design lag bei Apfel schon in der Familie. Ein Großvater war ein russischer Schneider, ihr Vater exzentrischer Dekorateur, ihre Mutter besaß eine Modeboutique. Apfel, Jahrgang 1921, wuchs in Queens auf, studierte Kunstgeschichte und unterrichtete kurz in einer winzigen Schule in Wisconsin, von wo sie allerdings bald floh. Stattdessen widmete sie sich der Inneneinrichtung: Unter neun Präsidenten, von Truman bis Clinton, gestaltete sie das Weiße Haus.

Heute lebt sie mit Alten Meistern und ihrer überall verstauten Sammlung an Mode und Accessoires in einer Wohnung an der Park Avenue, fungiert als Beraterin und hält Vorlesungen zum Thema Stil. Vor alten und jungen, schwulen wie heterosexuellen Fans, die ihr dafür danken, sie vom Zwang befreit zu haben, immer wie die anderen aussehen zu wollen. Das ist wohl am ehesten ihr Verdienst, denn zum Nachmachen scheint ihr Stil wenig geeignet. „Don't try this at home“, kam dem Kurator der Met-Ausstellung nicht umsonst immer wieder in den Sinn.


Insofern überrascht es ein wenig, dass Apfel nun auch der Versuchung erlegen ist, ihren neuen Kultstatus zu Geld zu machen. Für das amerikanische Home Shopping Network hat sie eine Kollektion an Modeschmuck und Accessoires zusammengestellt, die Ende September in den Verkauf gehen soll. Angelehnt sind die Stücke, darunter ein mit ihrer Brille bedruckter Schal, an ihre eigenen. Vielleicht ein wenig zu sehr, wie eine französische Designerin feststellen musste, die die von ihr gestaltete Brosche eindeutig wiedererkannte.

Tatsache ist, dass Apfel keine Designerin ist, und das auch weiß. „Aber ich bin eine gute Stylistin. Ich weiß, was ich nehmen muss.“ Sich anzuziehen sei ein kreatives Erlebnis, Schönheit dabei oft im Weg. „Wenn man nicht hübsch ist, muss man lernen, sich attraktiv zu machen.“ Eine Fähigkeit, die im Alter, wenn sich die Schönheit verabschiedet hat, durchaus hilfreich sei.

Zur Person

Iris Apfel (geb. Barrel) wurde am 29. August 1921 in Queens geboren. Ihr Vater war Dekorateur, ihre Mutter besaß ein Modegeschäft. Sie studierte Kunstgeschichte und heiratete 1948 Carl Apfel, mit dem sie eine Textilfirma aufbaute und viele Reisen unternahm. 2005 widmete ihr das Metropolitan Museum eine Ausstellung, inzwischen besitzt Apfel Kultstatus in der Modewelt. Eine Dokumentation ist geplant, demnächst verkauft sie von ihr inspirierte Accessoires sogar im Home Shopping Network.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2011)

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