Sniper: Heckenschießen "aus Spaß"

Heckenschiessen Spass
Heckenschiessen Spass(c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
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Den in Wien festgenommenen Heckenschützen drohen bis zu fünf Jahre Haft. Während der Waffenhandel um seinen Ruf fürchtet, vermutet eine Psychologin hinter den Taten Machtfantasien und Frustabbau.

Zwei Wochen lang haben sie die Stadt in Angst versetzt und die Polizei in Atem gehalten. Am Donnerstagabend konnten die Heckenschützen von Wien schließlich gefasst werden. Ausgeforscht wurden zwei 20-jährige Männer aus Wien, die mit Schüssen aus einer Luftdruckpistole mindestens 18 Personen leicht verletzt haben. Bisher unbescholtene, als unauffällig beschriebene Schulfreunde, die so gar nicht in das Schema von Soziopathen passen, die wahllos aus dem Hinterhalt auf Passanten und Autos schießen.

Die beiden in Wien geborenen Männer – einer arbeitet als Kaufmann in einem großen Unternehmen, der andere ist arbeitslos – zeigten sich voll geständig, gaben aber in ihrer ersten Einvernahme kein Motiv an. „Wir wissen nicht, warum wir das gemacht haben“, sagten die beiden Verdächtigen immer wieder im Polizeiverhör, wie Sprecher Mario Hejl am Samstag berichtete. Die Verdächtigen haben laut Hejl noch zwei weitere Fälle von Schussabgaben zugegeben, dazu hätten sich bisher aber keine Opfer gemeldet. Sie befinden sich derzeit in Verwahrungshaft und wurden am Samstag in die Justizanstalt Josefstadt überstellt. Bis Montag wird entschieden, ob sie in Untersuchungshaft kommen.

Die Vorwürfe lauten auf Körperverletzung und schwere Körperverletzung, die mit bis zu drei Jahren Haft bedroht ist, sowie Sachbeschädigung – weil auch auf Autos gefeuert wurde. Im Fall einer Verurteilung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung könnten die Verdächtigen sogar fünf Jahre Haft ausfassen.

»Ein Exempel statuieren«. Da die Männer die Waffe legal in einem Waffengeschäft in Wien erworben haben, fürchten Waffenhändler, dass ihre Branche einmal mehr in Misskredit gebracht wird. „Man sollte die beiden für mindestens fünf bis zehn Jahre Jahre ins Gefängnis stecken“, fordert Peter Pepperl vom Waffengeschäft Uitz am Wiedner Gürtel im vierten Bezirk. Hier könnten die Heckenschützen laut Polizeiangaben die Tatwaffe gekauft haben. Die beiden hätten mit ihrer Aktion nicht nur den Waffenhandel in eine unangenehme Lage und in Erklärungsnot gebracht, sondern könnten Trittbrettfahrer und Nachahmungstäter motivieren, ebenfalls zur Waffe zu greifen und wahllos auf Menschen zu schießen. „Und was, wenn diese Täter dann echte Waffen mit scharfer Munition benutzen?“, so der Verkäufer. Er will, dass an den beiden Männern ein Exempel statuiert wird, gesteht ihnen aber „Risikominimierung“ ein. Denn mit einer Luftdruckwaffe könne man Menschen nur in Ausnahmefällen ernsthaft verletzen.

Üblicherweise verursachen Luftdruckwaffen tatsächlich nur leichte, aber kurzfristig sehr schmerzhafte Verletzungen. Sollte ein Geschoss ein Opfer im Auge treffen, sind äußerst schwerwiegende Folgen möglich. Luftdruckwaffen sind in Österreich ab 18 Jahren frei erhältlich. Zuletzt wurden CO2-Waffen immer beliebter, bei denen durch entsprechende Gaskapseln das Kohlendioxid den Antrieb der Kugeln besorgt. Am gebräuchlichsten ist das Kaliber 4,5mm, und hier vor allem sogenannte Diabolos, die aussehen wie Spindeln. Diese Munition wurde auch von den Heckenschützen in Wien eingesetzt. „Ob die Tatwaffe in unserem Geschäft gekauft wurde, kann ich nicht sagen“, so Pepperl. „Wir verkaufen im Jahr hunderte Luftdruckwaffen und können uns nicht an jeden Käufer erinnern.“ Wenngleich dieses Modell – ein silbernes Replikat einer Beretta – ein eher seltenes sei. Und mit etwa 200Euro Kosten zu den teureren Luftdruckpistolen zähle. Davon verkaufe er vielleicht ein Dutzend im Jahr. Zahlen, die von anderen Händlern in Wien bestätigt werden.

Mit „einigem Ärger und Stirnrunzeln“ habe auch der Wiener Büchsenmacher Hartwig Michael Kaplan die Meldungen über die Taten der Heckenschützen verfolgt. Er führt diese Angriffe auch auf die Dämonisierung von Waffen und gewaltverherrlichende Computerspiele zurück. Kindern und Jugendlichen müsse ein entspannter und gleichzeitig verantwortungsvoller Umgang mit Waffen beigebracht werden. „Nur dann haben Waffen für Jugendliche weder etwas Übermächtiges noch Erotisierendes“, betont Kaplan. Nur auf Verbote zu setzen habe nachweislich nichts genützt. Kaplan appelliert an die Eigenverantwortung und gezielte Aufklärung in den Elternhäusern. „Denn einem gesunden Hirn entspringen keine solchen Gedanken.“

»Haben Flucht genossen«. In der Kindheit und der Jugend vermutet auch Psychologin Serap Ünlü-Kara die Ursachen für das Verhalten der Heckenschützen. „Es ist davon auszugehen, dass die beiden Männer in ihrer Vergangenheit Gewalt erfahren haben oder zumindest damit konfrontiert wurden“, sagt Ünlü-Kara. „Die daraus resultierende Wut und Aggression versuchen sie mit Taten wie diesen abzubauen.“

Auf der Flucht zu sein, von den Behörden und den Medien gejagt zu werden dürften sie genossen und als Machtspiel empfunden haben. „Die Angst, erwischt werden zu können, aber jedes Mal aufs Neue davonzukommen, ist dabei der Reiz“, erklärt die Psychologin. „Aus sicherer Entfernung auf Menschen zu schießen und sie zu verletzen bereitete ihnen wahrscheinlich den größten Spaß.“ Mitleid für die Opfer ist laut Ünlü-Kara nicht zu erwarten. „In solchen Machtfantasien gibt es keinen Platz für Mitgefühl.“

Dennoch glaubt sie nicht, dass die 20-Jährigen die Hemmschwelle verloren und irgendwann zu echten Waffen gegriffen hätten. Diese Männer seien keine typischen Heckenschützen. „Wenn sie jemanden schwer verletzen oder töten wollten, hätten sie das früher oder von Anfang an getan. Ich denke nicht, dass sie diese Grenze jemals überschreiten wollten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2011)

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Kommentare

Danke, Frau Minister!

Es ist eher ungewöhnlich, dass in einem Fall von (schwerer) Körperverletzung gleich die Ministerin höchstpersönlich ausrückt, um einen Ermittlungserfolg zu zelebrieren.

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