Silvio Nickol: Sechs Monate bis zur Spitze

Von Silvio Nickol kann man lernen, wie sich Ehrgeiz und Präzision auszahlen: Im neuen À-la-carte-Guide bekommt der Coburg-Koch die Höchstnote.

Dankbar müsste man als Wiener dem Michelin-Management sein. Die für die Gastronomen Österreichs desavouierende Entscheidung, das Land nicht mehr mit einem eigenen Guide ernst zu nehmen, sondern aus Spargründen nur noch Wien und Salzburg von Testern besuchen zu lassen (für die Ausgabe „Main Cities of Europe“) hat einen Kollateralschaden für Kärnten. Und einen erfreulichen Neuzugang für Wien: Silvio Nickol, der sich im gelben und zeitgleich tiefroten Schlosshotel Velden tapfer und konsequent zwei Michelinsterne erkocht hatte, übernahm die seit Christian Petz verwaiste Kochstelle im Palais Coburg.

Der gebürtige Deutsche hatte schon länger mit dem schwierigen Management des ebenfalls in deutscher Hand befindlichen Hauses verhandelt und daher viel durchgesetzt: Er bekam ein völlig neu gestaltetes Restaurant mit deutlichem Retro-Signal für ein noch immer wohlhabendes Publikum. Der Personal- und Küchenaufwand war und ist enorm. Vor allem in Nickols Küche ist er auch notwendig. Denn erstens ist der Schüler Harald Wohlfahrts beinahe besessen vom präzisen, klassischen Küchenhandwerk, zweitens macht Nickol keinen Hehl daraus, dass er möglichst schnell an die Spitze will. Im morgen, Montag, erscheinenden À-la-carte-Guide hat er es geschafft und erreicht auf Anhieb fünf Sterne – ein Urteil, das bisher noch kein neuer Küchenchef nach einem halben Jahr erzielte.

Es ist vor allem sein unglaublicher Materialaufwand, sein fast altmodisch anmutendes Handwerk: Da werden Gemüse und andere Lebensmittel geschnitzt, geliert, geschichtet, reduziert, gewickelt und gelegt, dass die Gerichte kleinen Kunstwerken gleichen – „ein kulinarisches Minimundus“ nannte es eine Kritikerin einmal. Sogar bei den Beifall klatschenden À-la-carte-Testern kam die klassische Küche, die sich krass von der aktuellen, lässig-beiläufigen Ein-Zwei-Saison-Aromen-Küche in Österreichs Toprestaurants unterscheidet, als etwas übertrieben an: „Manchmal ist das vor lauter Zusätzen zu viel, man könnte sich mit etwas mehr Understatement auf dem Teller der gebotenen Präzision entspannter und genießerischer widmen. Große Küche ist das in jedem Fall.“ Der 36-Jährige hat diese seine – fast klassisch französisch zu kategorisierende – Küchenlinie schon vor Längerem gefunden.

Sein Handwerk lernte er bei Wohlfahrt in Deutschland, wo man in den vergangenen zehn Jahren schon immer weniger auf Moden schielte. Wobei, so pur kocht Nickol nun auch wieder nicht: Das eine oder andere Zitat aus der Molekularküche findet sich ebenso wie manche Moden, wenn es um Zutaten geht. Nickol verwendet etwa, wie viele seiner Generation, säuerliches Obst für das Durchdeklinieren der eignen Techniken; seine Apfel- oder Birnen-Interpretationen und -Variationen als Amuse-Gueules zeugen von einer neuen Handschrift. Rote Rüben verwendet er wie so viele dieser Tage ebenfalls gerne. Und das Hohelied auf die lokalen Produkte singt er natürlich wie alle in seiner Branche ebenfalls auf Knopfdruck.

Was Nickol am deutlichsten von vielen seiner Kollegen unterscheidet ist seine deutsche Ehrlichkeit, die in Wien nicht selten für Verblüffung sorgt. Schon in Kärnten nannte er – noch einmal jünger als heute – als Ziel: drei Michelinsterne. Daran hat sich natürlich nichts geändert. Jetzt will er die Spitze in den lokalen Guides erklimmen. Beim ersten ist es ihm bereits gelungen.

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