In Ecris überlebte ein Mann vier Tage in den Trümmern. Premier Erdoğan gesteht Versagen beim Hilfseinsatz ein. Die Zahl der Toten steigt auf mehr als 530.
Mehr als 100 Stunden nach dem Erdbeben in der Türkei haben Retter einen Mann lebend aus den Trümmern geborgen. Der Mann wurde unter großem Jubel in der am härtesten getroffenen Stadt Ercis in einen Krankenwagen gebracht. Weil die Aussichten, Überlebende zu finden, zunehmend schwinden, hatten viele Mannschaften die Suche bereits aufgegeben.
Die Einsatzkräfte bergen immer mehr Leichen aus den Trümmern. Die Zahl der Toten stieg auf 534, wie der Katastrophenschutz mitteilte. Etwa 2300 Menschen seien verletzt worden. Die Zahl der Toten dürfte noch weiter steigen, weil zahlreiche Menschen noch vermisst werden. In der Provinz seien 3713 Gebäude so beschädigt worden, dass sie nicht mehr genutzt werden könnten.
Seit den Erdstößen der Stärke 7,2 hätten die Einsatzkräfte 185 Überlebende aus den Trümmern eingestürzter Gebäude gerettet, gab der Katastrophenschutz bekannt. Schneefälle haben am Donnerstag die Rettungsbemühungen erschwert. 91 Stunden nach dem Beben wurde ein junger Mann lebend geborgen. Der 19-Jährige sei am Donnerstag in der Stadt Ercis aus den Trümmern eines fünfstöckigen Gebäudes gerettet worden, berichtete der türkische Fernsehsender NTV. Er wurde völlig entkräftet und ausgetrocknet in eine Krankenstation gebracht.
Israel schickt Fertighäuser
Die Türkei hat nun doch Israel um Hilfe gebeten. Darauf schickte Israel gestern sofort hundert Fertighäuser per Flugzeug. Weitere sollen folgen. Indes räumte Premier Recep Tayyip Erdoğan ein, dass seine Regierung während der "ersten 24 Stunden" beim Verteilen von Zelten versagt habe.
Die Regierung Erdoğan war im In- und Ausland hart kritisiert worden, weil sie die sowohl vom israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres als auch von Premier Benjamin Netanjahu sofort telefonisch angebotene Hilfe zunächst abgelehnt hatte; ebenso wurde Hilfe aus Armenien zurückgewiesen. Dafür durften Helfer aus Aserbaidschan und Iran kommen. Dem Eindruck, dass die Hilfsnationen vor allem nach außenpolitischen Gesichtspunkten ausgesucht wurden, haben Vertreter der Regierung mehrfach widersprochen.
Die Vereinten Nationen schickten nach eigenen Angaben tausende Zelte in die Region. Einer Sprecherin des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) zufolge leiden die ersten Obdachlosen unter Durchfall und Lungenentzündungen.
Sechs EU-Länder boten zusammen über 2300 winterfeste Zelte für die durch das Beben obdachlos Gewordenen an, kündigte die EU-Kommission an. Darüber hinaus hätten weitere EU-Staaten Hilfe signalisiert, die über den Brüsseler Krisenmechanismus koordiniert wird. Die Kommission selbst schickt ein Expertenteam in das Katastrophengebiet in der Osttürkei.
(Ag./Red.)