Papademos soll Griechenland aus der Krise führen

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Sozialisten und Konservative ernannten nach langem Tauziehen den Vize-EZB-Chef, Lukas Papademos, zum neuen Premier. Er soll das angeschlagene Vertrauen des hoch verschuldeten Landes wiederherstellen.

Athen. Nach vier zähen Verhandlungstagen haben sich die großen Volksparteien Griechenlands, die sozialistische Pasok und die konservative Nea Dimokratia, auf Lukas Papademos als neuen Ministerpräsidenten geeinigt. Die kleine Rechts-außen-Partei Laos beteiligt sich ebenfalls an der neuen Regierung. Papademos wird als ehemaliger Vizechef der Europäischen Zentralbank einer Übergangsregierung vorstehen, die das angeschlagene Vertrauen des hoch verschuldeten Landes wiederherstellen soll. Die Angelobung der neuen griechischen Regierung soll am Freitag um 15.00 Uhr erfolgen.

Bis zu den Neuwahlen, die voraussichtlich im Frühjahr stattfinden sollen, muss die Regierung einen Kreditvertrag ratifizieren, der Griechenland weitere Hilfskredite und einen Schuldenschnitt von 50 Prozent gewährt – und die dazugehörigen Sparpakete verabschieden. Am heutigen Freitag wird das Übergangskabinett vereidigt.

„Lange haben wir ihn gesucht, jetzt haben wir ihn gefunden: jemanden, der Griechisch spricht, aber kein typischer Grieche ist!“ Für Vassilis Manolas ist klar, dass Lukas Papademos keine griechischen Interessen vertreten wird. Der Bäcker im Athener Vorort Marousi diskutiert jeden Morgen die politischen Ereignisse mit seinen Kunden. Vier Tage lang haben sie auf die ununterbrochenen Sondersendungen im griechischen Fernsehen gestarrt, verfolgt, wie nach einem beispiellosen Gezerre zwischen den Parteien schließlich doch der Erste auf einer langen Kandidatenlisten für das Amt gewonnen werden konnte, das eigentlich keiner will.

International angesehen

Papademos gehört zu den international angesehensten Persönlichkeiten, die das Land zu bieten hat. Der parteiunabhängige Bankexperte gehört zu den Architekten des griechischen Eurobeitritts und hat Griechenland schon einmal, im Jahr 1994, vor dem Bankrott gerettet. Damals gelang das allerdings aus eigener Kraft, heute hängt das Land am Tropf von EU und IWF. Und die Kreditgeber verlangen inzwischen schriftliche Garantien dafür, dass die Auflagen umgesetzt werden, die mit den Kreditverträgen einhergehen. Harte Sparmaßnahmen muss die neue Regierung also mitverantworten in einem Land, das bereits in einer tiefen Rezession steckt. Viele Griechen aber, die schon durch die Sparmaßahmen der vergangenen zwei Jahre um bis zu 30 Prozent ihrer Einkommen gebracht worden sind, sehen keinen Sinn mehr darin, noch mehr zu sparen. Die oppositionelle Nea Dimokratia will genau damit nicht in Verbindung gebracht werden. Nur unter der erdrückenden Gefahr, ohne die Auszahlung der nächsten Kredittranche im Dezember nicht mehr zahlungsfähig zu sein und dann möglicherweise auch nicht mehr in der Eurozone verbleiben zu können, hat sie der Koalitionsregierung zugestimmt.

Bedingungen nur halbherzig erfüllt

„Es sind die Politiker beider Parteien“, sagt Christos Panagopoulos, Geschäftsführer der Mediengruppe SKAI, „von denen es abhängt, ob Papademos erfolgreich sein kann, ob sie ihn stützen oder bekämpfen. Denn sie empfinden einen solchen Neuanfang möglicherweise als Gefahr.“ So hat Papademos auch gleich, nachdem er den Auftrag zur Regierungsbildung bekam, höchst eindringlich die Einigkeit beschworen, an der es bei seiner Benennung gemangelt hatte. Nur dann sei er optimistisch, die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine bringen zu können. Doch die anfänglichen Bedingungen, die Papademos den Parteien gestellt hat, sind nur sehr halbherzig erfüllt worden. Wahrscheinlich bekommt seine Regierung nicht wie von ihm gewünscht mehr Zeit, die Besetzung des Finanzministeriums überließ er schließlich den Politikern.

„Die haben den Griechen bisher nicht die volle Wahrheit gesagt“, erklärt Panagopoulos, „und die ist: Wir müssen unsere Denkweise ändern, uns durch mehr Produktivität und Exporte auf eigene Beine stellen und können nicht weiter auf Pump leben.“ Für Panagopoulos ist Papademos die Garantie dafür, dass „der Versuch unternommen wird, dass wir im Euro bleiben“.

Tatsächlich ist Papademos für einen Teil der Griechen der Hoffnungsträger für eine europäische Perspektive, für den anderen Teil aber der verlängerte Arm Brüssels, mit dem das Land weiter in die Rezession getrieben wird. Der neue Premier selbst zeigte sich zuversichtlich, die Probleme des Landes lösen zu können. Allerdings müssten alle ihren Beitrag leisten, um die Wirtschaft zu sanieren, so Papademos.

Manolas ist sicher, „dass der jetzt einmal mit dem Rotstift über uns drübergeht. Dann stehen wir die nächsten vierzig Jahre unter dem Diktat der Deutschen und Franzosen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2011)

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