Irak: Einkaufstour im Land des Terrors

Irak Einkaufstour Land Terrors
Irak Einkaufstour Land TerrorsReuters (saad Shalash)
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Österreichs Außenminister Michael Spindelegger ließ sich in der Hauptstadt Bagdad durchs Labyrinth der irakischen Politik führen und warb für österreichische Firmen.

Normalität sieht anders aus. Achteinhalb Jahre nach der US-Invasion und dem Sturz Saddam Husseins durchziehen Bagdad immer noch meterhohe Stahlbetonwände, Panzersperren und Checkpoints. Gepanzerte Fahrzeuge und Soldaten in dicken sandfarbenen Splitterwesten prägen das Straßenbild auch außerhalb der „Green Zone“, des labyrinthartigen Hochsicherheitstrakts, in dem sich der Regierungsbezirk der irakischen Hauptstadt befindet. Schutthaufen, aufgerissene Gehsteige, Kabelgewirr und verfallende Häuser. Die Zeit scheint grau, staubig und stillzustehen in Bagdad. Es glitzert nichts in dieser Stadt, von Aufbruchstimmung kaum bis keine Spur.

Aber der Kalenderspruch, dass alles relativ ist, gilt vor allem auch für den Irak. Hoshyar Zebari, listige Augen, untersetzt und seit 2003 Außenminister seines zerrissenen 32-Millionen-Einwohner-Landes, wies am Mittwoch in einer Pressekonferenz mit seinem österreichischen Gast Michael Spindelegger auf die deutliche Verbesserung der Sicherheitslage im Vergleich zu den Jahren 2004 bis 2008 hin. Doch auch der kurdische Chefdiplomat musste eingestehen, dass die Iraker immer noch mit einer „permanenten Terrorgefahr“ leben.

Zu Mega-Anschlägen ist die al-Qaida nicht mehr in der gleichen Frequenz wie noch vor drei Jahren fähig. Nach wie vor explodieren jedoch allein in Bagdad bis zu fünf Bomben täglich. Die große Frage ist nun, ob der Irak nach dem vollständigen Abzug der US-Truppen zum Ende des Jahres von einer neuen Terrorwelle erfasst wird.

Wird Gewalt zunehmen?

Zebari übt sich in Optimismus. Die Extremisten hätten stets behauptet, gegen ausländische Besatzer zu kämpfen. Dieses Argument löse sich nach dem Abschied der letzten US-Soldaten in Luft auf.

Und dennoch: Auch der Außenminister stellt sich offenbar auf eine Zunahme der Gewalt ein. „Die Möglichkeit besteht“, erklärte er und verwies auf die bisherige „effiziente Kooperation mit den Amerikanern“ im Kampf gegen Terroristen, um dann einen Satz zu sagen, der so gar nicht in die Abzugsrhetorik der vergangenen Wochen passt: „Die Zusammenarbeit zwischen dem Irak und den amerikanischen Diensten wird sich fortsetzen.“

Am 12. Dezember soll der zunehmend autoritär regierende schiitische Premier Nouri al-Maliki Washington besuchen. Es wird darum gehen, wie die USA ihre Interessen im Zweistromland wahrnehmen können, ohne militärisch sichtbar zu sein. Ein Drahtseilakt scheint im Vergleich zur irakischen Politik ein Tanzvergnügen zu sein. Im Inneren zerren Sunniten, Schiiten und Kurden in verschiedene Richtungen. Außenpolitisch ist Irak dem ständigen Druck der USA sowie der konkurrierenden Regionalmächte Iran und Türkei ausgesetzt.

Die Syrien-Krise bietet ein Anschauungsbeispiel dafür, wie sich der Irak durchlavieren muss. Die USA erwarteten, dass der Irak angesichts der Repressionen im Nachbarland für eine Suspendierung Syriens in der Arabischen Liga stimmt. Der Iran, der sich im Irak Einfluss über die schiitische Bevölkerungsmehrheit sicherte, drängte auf ein Nein. Schließlich enthielt sich der Irak der Stimme.
Spindelegger war nicht nur in Bagdad, um mit Zebari, Maliki und Präsident Talabani politische Fragen auszuloten und sich für die Rechte von Christen einzusetzen. Es ging ihm vor allem darum, Interessen österreichischer Unternehmen zu fördern. Sechs Verträge im Umfang von 60 Mio. Dollar schloss die Delegation ab. Erfolg versprechen derzeit vor allem Projekte in der Stromversorgung, Wasseraufbereitung und Medizintechnik.

Die größten Geschäfte lassen sich auf dem Energiesektor holen: Der Irak bezieht 80 Prozent seiner Einnahmen aus dem Ölsektor. Die Förderung hat längst wieder das Niveau der Vorkriegsjahre erreicht. Die OMV wird aber erst im nordirakischen Erbil zu Spindeleggers Delegation stoßen. In Bagdad selbst ist der Konzern derzeit angeblich nicht so gern gesehen.

Türken machen größten Eindruck

Den mit Abstand größten wirtschaftlichen Abdruck hinterlassen derzeit die Türken. Mehr als ein Drittel aller ausländischen Firmen im Irak kommen aus der Türkei. Doch auch österreichische Unternehmen machen zunehmend Eindruck, besonders die AUA, die seit Sommer nicht nur Erbil, sondern auch Bagdad direkt anfliegt. „Das war ein mutiger und gut kalkulierter Schritt“ sagte Zebari in der Unterredung mit Spindelegger.
Demnächst wird der irakische Außenminister Wien übrigens nicht nur für einen Zwischenstopp nützen: Er nahm eine Einladung nach Österreich an.

("Die Presse" Printausgabe vom 17.11.2011)

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