„Wir, Staatskünstler“: Ein Sonderfall von „Gutmensch“

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Das politische Kabarett mit Palfrader, Scheuba und Maurer soll Dokumente ans Licht bringen – und gegen die Stimmung wirken, dass „eh alle Verbrecher sind“. Auf der Bühne und im ORF.

Die Presse: Wenn Kabarettisten sich „Staatskünstler“ nennen: Geht es dann um Subventionen?

Maurer: Wir werden nicht auf der Bühne heulen, dass wir gern Geld hätten.

Palfrader: Wobei, wenn die Asfinag sich entschließen sollte, uns mit einem Gutachten zu beauftragen: Dann werden wir sicher das eine oder andere Thema nicht behandeln.

Maurer: Wir könnten Inseratenflächen zur Verfügung stellen.

Palfrader: Oder Gutachten verfassen. Wir sind zu dritt...

Maurer: ...und jeder von uns hat einen Wikipedia-Zugang.

Nach welcher Definition von „Staatskünstler“ haben Sie das Programm entworfen?

Scheuba: Wir setzen uns auf der Bühne damit auseinander, ob der Begriff irgendeine Form von Sinn hat. Wir glauben, nein. Wollen aber mit Klischees, die damit verbunden sind, spielen.

Woher kommen die Klischees?

Palfrader: Der Begriff „Staatskünstler“ taucht oft in Foren diverser Tageszeitungen und auf der Leserbriefseite einer kleinformatigen Zeitung auf.

Maurer: Ein Phantasma: Weil es so oft erwähnt wird, kann man den Begriff googeln, und dann glauben die Leute: Das gibt's wirklich.

Wenn man es heute googelt, sind die meisten Einträge zu Ihrem Stück!

Scheuba: Da haben wir dem Begriff eine neue Bedeutung geben. Wieder was erledigt! Mittlerweile ist ein interessanter Aspekt, dass eigentlich jeder, der im ORF auftritt, als Staatskünstler gilt.

Maurer: Der „Staatskünstler“: ein Sonderfall von „Gutmensch“.

Palfrader: Zoologisch gesehen, sicher.

Aus dem Kabarettprogramm wird auch eine TV-Sendung, die in der Donnerstagnacht laufen wird.

Maurer: Ja, um 23.35 Uhr. Da ist schon von den Verantwortlichen die Zensur durch die Programmierung ersetzt worden.

Palfrader: Die Leute, die um die Uhrzeit zuschauen, sind entweder angesoffen oder ohnedies unserer Meinung.

Wie werden aktuelle politische Dinge ins Programm eingebunden?

Scheuba: Wir haben ein Team von vier Aufdeckungsjournalisten: Florian Klenk vom „Falter“, Ashwien Sankholkar vom „Format“, Michael Nikbakhsh vom „Profil“ und Kurt Kuch von „News“. Wir werden im Geist der Abhörprotokolle, die wir im Audimax verlesen haben, jede Woche ein Dokument präsentieren. Das wird das eine und andere Mal etwas sein, das bisher noch nicht in der Öffentlichkeit war.

Palfrader: In der ersten Folge werden wir die Antwort auf die Frage geben: „Wo woar mei Leistung?“

Werden dann Journalisten in der Vorstellung sitzen und später schreiben: „Wie die Staatskünstler berichteten...“?

Maurer: Wenn's so weit kommt, werden wir uns nicht wehren.

Ist die Kooperation mit den Journalisten nicht auch eine Form von „Freunderlwirtschaft“?

Palfrader: Ich hab den Herrn Kuch z.B. noch nie persönlich kennengelernt.

Scheuba: Wir haben gewisse Überschneidungen bei unseren Tätigkeiten, und man schätzt sich gegenseitig. Wir laden auch die Zuschauer ein, bei der Sendung mitzuarbeiten.

Maurer: Das ist ein neuer basisdemokratischer Ansatz.

Palfrader: Dagegen werden die Schweizer Volksabstimmungen wie Kindergarten-Demokratie aussehen.

Wird der Zuschauer immer wissen, was echte Sachen sind und was satirische Übertreibung?

Scheuba: Das werden wir versuchen, klar darzustellen.

Palfrader: Bei „Männer fürs Grobe“ ist es uns passiert, dass eine Dame nach der Vorstellung gesagt hat, wieso wir uns die Geschichte mit dem Gutachten und der Hypo Alpe Adria so übertrieben ausgedacht haben. Dabei ist das die Wahrheit!

Was ist nun das Ziel ihrer Sendung?

Scheuba: Es ist derartig viel los in Österreich, dass es schwer ist, die Übersicht zu behalten. In dem Lande herrscht momentan die Stimmung: „Das sind alles Verbrecher!“ Und das ist die größte Freude, die man der Mafia machen kann.

Maurer: Gegen diese Bauchgefühl-Tendenz wollen wir angehen. Denn das ist ein gefährlicher Kurzschluss: „Das sind alles Verbrecher, und wenn man mit einem großen Prügel reinhaut, wird's schon nicht die Falschen erwischen.“

Kabarett für die Bühne und TV

„Wir, Staatskünstler“ hat am 21.11. im Wiener Rabenhof Premiere. In dem Kabarettprogramm setzen sich Robert Palfrader, Thomas Maurer und Florian Scheuba in eine fiktive „Luxusvilla für Staatskünstler“, um aktuelles Zeitgeschehen zu kommentieren.

Die Bühnenshow wird alle zwei Wochen neu geschriebene Teile enthalten. Zusätzlich gibt es auch Live-Termine für die Fernsehaufzeichnungen (Karten: www.rabenhoftheater.com). Ab 1.Dezember läuft „Wir, Staatskünstler“ als 25-Minuten-Sendung donnerstags um 23.35Uhr auf ORF eins.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2011)

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