Schülervertretung: „Wir wollen Respekt statt Strafen“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bundesschulsprecherin Conny Kolmann über „nicht sozialisierte“ Schüler, Probleme mit der Zentralmatura und darüber, wie viel ihre Meinung wert ist.

Die Presse: Lehrergewerkschafter Paul Kimberger hat kürzlich erneut mehr Durchgriffsrechte für Lehrer gefordert. Zuvor hat er die Schüler als „Egomanen, die nicht sozialisiert sind“, bezeichnet. Fühlen Sie sich als Schülervertreterin da angegriffen?

Conny Kolmann: Ich habe mich darüber furchtbar aufgeregt. Das Verhältnis beruht immer auf Gegenseitigkeit: Wenn die Lehrer respektvoll mit den Schülern umgehen, werden sie von ihnen immer Respekt zurückbekommen. Kimbergers Vorschläge finde ich wirklich nicht zielführend. Es gibt ganz andere Punkte, an denen angesetzt werden sollte.

Welche Punkte wären das?

Man muss sich fragen, welche Probleme die Schüler haben, die sich nicht „zivilisiert“ benehmen. Das Wichtigste wäre, die Sozialarbeit an den Schulen auszubauen. Lehrer müssen in vielen Schulen auch als Erzieher und Sozialarbeiter für die Schüler da sein. Deshalb sollte man sich anschauen, wo man die Lehrer – und dadurch auch die Schüler – entlasten kann.

Welche Maßnahmen würden zu einer derartigen Entlastung beitragen?

Die Schüler sollen sich nicht fragen müssen, wo sie mit ihren Problemen hinsollen. Es muss Anlaufstellen an der Schule geben. Dadurch würde die Zahl der „nicht sozialisierten“ Schüler sicher sinken.

Werden die Schüler tatsächlich immer schwieriger, wie Kimberger klagt?

Ich finde seine Darstellung sehr überspitzt. Alle sind dafür verantwortlich, ob die Schule funktioniert: nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer, die Direktion und das gesamte Personal. Das Wichtige ist, dass jeder, der in diesem Gefüge agiert, erkennt, welche Verantwortung er hat. Wenn diese von allen wahrgenommen wird, wird es keine Schüler geben, die herumlaufen und durchdrehen.

Sie kritisieren die Zentralmatura. Diese soll gleiche Bedingungen für alle schaffen. Was spricht dagegen?

Die Zentralmatura ist grundsätzlich eine gute Idee. Die Umsetzung ist allerdings sehr fragwürdig, besonders in Mathematik. Es fehlen ein konkreter Lehrplan und eine gesetzliche Verordnung als Grundlage. Die Schüler wissen nicht, was auf sie zukommt. Es braucht dringend Informationen. Sonst bleibt die Angst, dass man sich mit einem schlechten Abschneiden bei der Matura den Lebensweg verbaut.

Sind Sie als Bundesschulsprecherin auch zu wenig informiert?

Kürzlich wurde ich zu einem Informationsgespräch eingeladen, aber nach meiner Meinung hat bisher niemand gefragt.

Die Bundesschülervertretung hat kein gesetzlich verankertes Mitspracherecht.

Das ist ein Problem. All die Reformen, die gerade im Gange sind, wurden zum Großteil von Menschen erarbeitet, die seit 40 Jahren nicht mehr in der Schule sitzen.

Seit Jahren schon fordern die Schüler mehr Mitbestimmung auf Landes- und Bundesebene in Form eines Schulgemeinschaftsausschusses. Warum gibt es das bis heute nicht?

Weil an diese Forderung etwa auf Landesebene auch die Abschaffung des Landeskollegiums geknüpft ist, dem parteipolitisch besetzten Gremium der Landesschulräte. Damit würden die Parteien stark an Einfluss verlieren. Und davor haben sie Angst.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Unterrichtsministerin Claudia Schmied?

Ich würde sagen, wir haben kein Verhältnis. Denn dafür müsste es einen Austausch geben. Bisher haben wir nur ein Mal miteinander gesprochen – bei meinem Amtsantritt hat sie sich zwanzig Minuten Zeit genommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2011)

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