Die Negativbilanz des Volksbegehrens: Es wird wieder blockiert

Negativbilanz Volksbegehrens wird wieder
Negativbilanz Volksbegehrens wird wieder(c) Michaela Bruckberger
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Über Ideologie, die Angst vor Veränderung und gefährliche Drohungen. In Österreich ist Bildung, wie in keinem anderen Land, traditionell zutiefst ideologisch besetzt.

Zugegeben, 383.820 Unterschriften sind auf den ersten Blick nicht gerade überwältigend für ein Thema, das jeden betrifft und eines der zentralen Schlüssel- und Zukunftsthemen überhaupt darstellt. Bedenkt man jedoch, dass es hier für und nicht gegen eine Sache zu stimmen galt, relativiert sich das Ganze etwas. Dennoch: Warum bleiben Herr und Frau Österreicher lieber daheim, als wie die Franzosen zu Hunderttausenden für Bildungsanliegen auf die Straße zu gehen? Waren die Formulierungen zu schwammig, oder hat Hannes Androsch manchen abgeschreckt? Liegt es am generellen Misstrauen der Politik gegenüber, oder sind es die ernüchternden Erfahrungen mit dem Schicksal früherer Begehren, die viele zum Sitzenbleiben statt zum Aufstehen bewogen haben? Manifestiert sich hier überhaupt die tief sitzende österreichische Angst vor Veränderung? Vermutlich von allem etwas, allem voran bestimmt die Politikverdrossenheit.

Traurige Tatsache ist jedenfalls eines: In Österreich ist Bildung, wie in keinem anderen Land, traditionell zutiefst ideologisch besetzt. Zur Negativbilanz des Volksbegehrens zählt zweifellos, dass die Bruchlinien wieder schärfer sichtbar wurden. Es wird wieder ganz offen aus ideologischen Schützengräben geschossen, gemauert, blockiert. Man erinnere sich an die Reaktion des Vizekanzlers: Das Volksbegehren werde behandelt wie alle anderen, was nebenbei gesagt fast wie eine gefährliche Drohung klingt, und: „Das Gymnasium bleibt!“. Die elf anderen Forderungen sind so gut wie kein Thema. Die ÖVP hat sich in ihren alten Abwehrhaltungen eingemauert. Von hier ist also keine Bewegung zu erwarten.

Bleibt die SPÖ. Sie könnte sich bewegen, indem sie freien Hochschulzugang und Studiengebühren fein säuberlich auseinanderhalten und über Ersteren sachlich diskutieren würde. Mit der gemeinsamen Schule könnte sie dann in die nächste Nationalratswahl gehen. Die Parteispitze muss sich jetzt klar zu allen Anliegen des Volksbegehrens bekennen und dafür sorgen, dass sie behandelt werden, wie es einer Demokratie würdig ist. Fast 400.000, was in etwa der Einwohnerschaft von Graz und Innsbruck entspricht, werden ein Auge darauf haben, ebenso wie die neuen Allianzen, die sich rund um das Volksbegehren gebildet haben. Nicht zuletzt die Medien, die durchgehend mit einer sachlichen, informativen Berichterstattung positiv aufgefallen sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2011)

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