Die ÖVP holt Strache zurück ins Spiel

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Das Ringen um die Schuldenbremse in der Verfassung entzweit nun auch die beiden Koalitionsparteien. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war die Begeisterung am Mittwochabend deutlich anzumerken.

Wien. In der SPÖ war man entsetzt: Man wähnte sich schon knapp dran an einer rot-schwarz-grünen Mehrheit – und dann holt die ÖVP die Freiheitlichen unabgesprochen zurück ins Spiel, die nach SPÖ-Ansicht letztlich nie und nimmer zustimmen würden.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hingegen war die Begeisterung am Mittwochabend deutlich anzumerken. In einer „Journal Panorama“-Diskussion im ORF-Radio hatte ihm ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf zuvor das Angebot gemacht, dem FPÖ-Wunsch nach mehr direkter Demokratie zu entsprechen, wenn die Freiheitlichen der Schuldenbremse im Verfassungsrang ihre Stimme leihen. Dass die FPÖ im Gegenzug bereit sei, auf ihre Forderung einer Volksabstimmung über den Euro-Rettungsschirm zu verzichten, wies Strache jedoch zurück.

Das Ringen um die Schuldenbremse hat nun auch zu einem koalitionären Zerwürfnis geführt. Auf der einen Seite die SPÖ, assistiert von den Grünen, auf der anderen die ÖVP. Dort wurde es als Affront angesehen, dass Grünen-Chefin Eva Glawischnig nach der rot-schwarz-grünen Verhandlungsrunde am Dienstag andeutete, ÖVP-Chef Michael Spindelegger sei für Vermögensteuern zu haben. Die ÖVP-Führung dementiert das.

Um aus der Vermögensteuerfalle wieder herauszukommen, musste die ÖVP rasch handeln. Sie tat das, indem sie die FPÖ ins Boot holte. Entgegen der Vereinbarung mit dem Koalitionspartner, denn die SPÖ will mit den Freiheitlichen nicht einmal reden, geschweige denn verhandeln.

Vom Volksbegehren zur Volksabstimmung

Konkret sieht das Mehr-direkte-Demokratie-Angebot der ÖVP an die FPÖ wie folgt aus: Zehn Prozent der Wahlberechtigten – das sind ungefähr 700.000Bürger – können mit ihren Unterschriften am Magistrat im Rahmen eines Volksbegehrens erzwingen, dass das Anliegen im Parlament behandelt wird. Findet sich dafür eine einfache Mehrheit, wird es als Gesetz beschlossen, das allerdings nicht sofort in Kraft tritt, sondern erst den Bürgern zur Volksabstimmung vorgelegt wird. Stimmen mehr als fünfzig Prozent der Wahlberechtigten dafür, dann wird es rechtswirksam.

Ohne parlamentarische Mehrheit davor kann es also keine Volksabstimmung geben. Was die Gemüter in der SPÖ dann doch wieder ein wenig beruhigte. Für wirklich ernst gemeint hält man den ÖVP-Vorschlag ohnehin nicht. Eher geht man von einem taktischen Manöver aus. Nach wie vor, heißt es in der SPÖ, sei eine Verfassungsmehrheit gemeinsam mit den Grünen die wahrscheinlichste. Die wäre den Sozialdemokraten freilich auch ideologisch am liebsten.

Entstanden ist die Pattsituation, aus der sich die Koalition nun herausmanövrieren muss, da die Vereinbarungen des EU-Gipfels von vergangenem Wochenende eine Schuldenbremse zwingend in der Verfassung vorsehen, dadurch, dass die SPÖ die BZÖ-Hürde nicht überspringen konnte und die ÖVP nicht jene der Grünen.

Das BZÖ wollte auch eine maximale Steuer- und Abgabengrenze in der Verfassung festschreiben. Das wollte SPÖ-Chef Werner Faymann nicht akzeptieren, er hätte es in seiner Partei nicht durchgebracht. Auch BZÖ-Chef Josef Buchers späteres Zugeständnis, diese Steuergrenze erst in späteren Jahren festzuschreiben, nutzte wenig. Die ÖVP wiederum konnte die Forderung der Grünen nach einer expliziten Vermögensteuer nicht erfüllen. Allerdings hatte die ÖVP auch Probleme mit dem vom BZÖ vorgelegten Sanktionsmechanismus, wonach der Finanzminister bei Nichteinhaltung der Schuldenbremse von einem Drittel der Abgeordneten abgesetzt werden kann. Aber auch ist das BZÖ da noch für Alternativvorschläge offen. Sanktionen will es aber auf jeden Fall. Mit Grün und Orange weiterverhandelt wird Anfang Jänner. Mit der FPÖ führt die ÖVP separate Gespräche. Ob sich der SPÖ-Chef hierbei einklinkt, ist ungewiss.

Auf einen Blick

Das Direkte-Demokratie-Modell. Das Angebot der ÖVP an die FPÖ sieht so aus: Wird ein Volksbegehren von zehn Prozent der Wahlberechtigten unterstützt, kann das Anliegen im Parlament mit einfacher Mehrheit als Gesetz beschlossen werden, das aber nicht gleich in Kraft tritt, sondern erst einer Volksabstimmung zugeführt wird. Stimmen die Bürger zu, tritt es in Kraft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2011)

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