Korruption: „Ohrfeige“ des Europarats

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Experten der „Staatengruppe gegen Korruption“ fällen ein vernichtendes Urteil über Österreichs Gesetze zu Bestechung und Parteienfinanzierung: Es fehlten Mittel, "die Korruption von Politikern zu verhindern".

Wien/Red. Albanien hat es 2001 ratifiziert, Aserbaidschan 2004, Andorra 2008. Österreich dagegen hat das „Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption“ bis heute nicht in Kraft gesetzt. Eine Konsequenz daraus, wie nun Experten der „Staatengruppe gegen Korruption“ (Greco) feststellen: „Das Evaluierungsteam bedauert diese versäumten Gelegenheiten sehr, da es Österreich dadurch an Mitteln mangelt, die Korruption von Politikern zu verhindern und zu bekämpfen.“

Die verheerende Schlussfolgerung kommt nur einen Tag, nachdem ein Untersuchungsausschuss des Nationalrats seine Arbeit zu den weitreichendsten Korruptionsvorwürfen gegen Politiker in der Geschichte der Republik wieder aufgenommen hat. Greco hat insgesamt 21 Empfehlungen für Österreich, wie man Korruption effizienter bekämpfen und die Parteienfinanzierung transparenter machen kann. In beiden Bereichen hinkt Österreich weit hinter internationalen Normen nach.

Straffrei, Politiker zu beschenken

Bei der Bestechung bemängeln die Prüfer vor allem, dass es praktisch straffrei ist, einen Politiker mit Geschenken „und ähnlichen Vorteilen“ zu überhäufen. Strafbar ist das nämlich nur, wenn der Betroffene gegen das Dienstrecht verstößt. Für Minister, Landeshauptleute, Staatssekretäre und auch Bürgermeister gibt es aber kein Dienstrecht. Greco vermerkt nüchtern: „Die Diskussionen vor Ort bestätigten klar, dass es sich [...] nicht um bloß hypothetische Situationen handelt.“

Dass die einst strengen Vorschriften gegen das „Anfüttern“ gelockert wurden, dürfte, wie es in dem 38 Seiten umfassenden Bericht heißt, praktische Gründe gehabt haben. 2008 gab es nämlich Ermittlungen, weil Firmen großzügige VIP-Einladungen im Wert von angeblich 3500 Euro für die Fußballeuropameisterschaft vergaben. Die Ermittlungen der Behörden wegen unerlaubter Geschenkannahme wurden 2009 eingestellt, nachdem man das Verbot wieder entschärft hatte.

In direktem Zusammenhang mit Korruption steht die Parteienfinanzierung, der sich ein zweiter Bericht widmet. Deren rechtliche Regelung entspreche „bei Weitem nicht den in Empfehlungen über gemeinsame Regeln gegen Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen festgelegten Normen“.

Einfacher ausgedrückt: Transparenz und Kontrolle entsprechen internationalen Standards nicht. Die Stadt Wien erwähnt Greco speziell: Hier gebe es „weder Regelungen zur Transparenz, Offenlegung oder Veröffentlichung hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben der Parteien“ noch die „Verpflichtung der Parteien, ihre Buchführung einer privaten Prüfung zu unterziehen oder einem öffentlichen Kontrollmechanismus zu unterwerfen“.

Generell, auch das erfährt man aus dem Bericht, wird der Anteil öffentlicher Förderungen für politische Parteien in Österreich „als einer der höchsten weltweit eingeschätzt (gerechnet in Euro pro registriertem Wähler)“.

Die Staatengruppe gegen Korruption empfiehlt Österreich unter anderem, die Strafbestimmungen gegen Politiker zur Verhinderung von Korruption zu verschärfen. Bei Parteispenden müsse es Offenlegungen ab einem bestimmten Betrag geben. Man müsse auch sicherstellen, dass diese Informationen der Allgemeinheit zugänglich sind. Weiters sollten die Parteien von rotierenden Wirtschaftsprüfern kontrolliert werden.

In Reaktionen auf die zwei Berichte sprach der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger von einer „Ohrfeige für den Gesetzgeber“. Die Regierung müsse nun handeln. Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) spielte den Ball aber an das Parlament weiter, wo es seit längerer Zeit „Fünfparteiengespräche“ zur Parteienfinanzierung gebe.

Prammer glaubt an „Dynamik“

Die Opposition wiederum kritisierte den Stillstand, die Umsetzung einer Grundsatzeinigung zur Parteienfinanzierung werde seit Monaten blockiert. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) glaubt aber, dass bei der Parteienfinanzierung im ersten Halbjahr Nägel mit Köpfen gemacht werden. Sie meint, dass durch die Greco-Berichte „einigermaßen Dynamik“ in die Materie hineinkomme.

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) plädierte dafür, die Strafbestimmungen für die Bestechung von Abgeordneten zu verschärfen. Zuständig dafür sei nun das Parlament.

Auf einen Blick

Die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption hat Österreich geprüft und stellt dem Land ein schlechtes Zeugnis aus: Die Parteienfinanzierung sei intransparent, Spenden würden nicht offengelegt. Im Kampf gegen Korruption vermisst der Europarat klare und strikte Regelungen. Nach geltendem Recht sei es in Österreich de facto straffrei, wenn ein Minister, ein Landeshauptmann oder ein Abgeordneter umfangreiche Geschenke annimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2012)

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