Geschichte: Der alte Fritz und der große François

Geschichte alte Fritz grosse
Geschichte alte Fritz grosse(c) Dapd (Michael Urban)
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Soll man Preußenkönig Friedrich II. wirklich loben? Selbst vor seinem 300. Geburtstag am 24.1. ist Lob problematisch. Es gibt aber zwei gute Gründe. Der erste ist philosophischer Natur, der zweite praktischer Art.

Aus Sicht Österreichs war es lange Zeit schwer, über den Preußenkönig Friedrich II. Positives zu sagen. Selbst vor seinem 300.Geburtstag am 24.1. ist Lob problematisch. Maria Theresia nannte ihn einen bösen Mann, nicht nur, weil er ihr Schlesien bald nach der Thronbesteigung 1740 geraubt hatte, nicht nur, weil er das Habsburgerreich zerstückeln wollte, sondern auch aus Standesdünkel. Waren seine Vorfahren nicht Vasallen ihres Hauses gewesen? Man muss einen starken Glauben an das Genie haben, um als Wiener Friedrich so wie Egon Friedell zu den zwölf wichtigsten Herrschern der letzten 3000 Jahre zu zählen.

Leichter ist es, schäbig seine gemeinsten Verehrer zu zitieren, um ihn zu desavouieren. Hitler ließ sich mit dem König und Bismarck propagandistisch auf einer Nazi-Postkarte als Trio angeblich deutscher Größe abbilden. Noch 1945 hoffte Propagandaminister Goebbels im Bunker auf ein „Mirakel des Hauses Brandenburg“, auf Sieg in letzter Minute nach Friedrichs Façon. Auch die DDR hat den Mythos Preußen in ihrer Endphase missbraucht – das sind Fans, die das Image eines klugen Herrschers der Aufklärung schädigen.

Liebe zu gut gebauten Soldaten

Man kann sich ihm über Toleranz, Militarismus oder Kunst nähern, über Liebe zu gut gebauten Soldaten, Verachtung der Weiber oder sogar die angebliche Neigung zum einfachen Volk. Weil Friedrich ein Souverän war, der wusste, wie man die Öffentlichkeit manipuliert, sind viele Facetten an ihm schwer zu durchschauen. Doch in zwei Dingen sollte man ihm absolute Größe nicht abstreiten. Im Geistesleben und im Praktischen.

Der erste Grund heißt Voltaire. Der König holte ihn an seinen Hof, für kurze Aufenthalte zuerst, für fast drei Jahre ab 1750. In Abendrunden wurden brillante Köpfe vorgeführt, gegeneinander ausgespielt. Voltaire war für diese Events Friedrichs Meisterstück. Die beiden schrieben sich auch Briefe, 42 Jahre lang, zwei Intellektuelle voll Sarkasmus, Kunst der Verstellung, aber auch Offenheit. Das Raffinierte an der Beziehung zwischen Fritz und François-Marie Arouet ist, dass sie so viele Widersprüche in größtmöglicher Eleganz vereinen.

Zum Jubiläum wurde die von Hans Pleschinski herausgegebene, elegant aus dem Französischen übersetzte Korrespondenz wiederaufgelegt (Hanser, 2011). Das Buch umfasst ein Drittel der überlieferten 800 Briefe sowie den Nachruf Friedrichs auf François. Diese Texte sind ein Stück Weltliteratur, für das man getrost auch Schlesien opfern könnte. Eine giftige Ergänzung dazu: Voltaires Memoiren, „Über den König von Preußen“ (Insel, 1967), von Anneliese Botond herausgegeben. Sie zeigen auch, wie perfide diese beiden Charakterköpfe sein konnten. Ihre Texte sind ein ständiges Kräftemessen.

Den ersten Kontakt knüpft Friedrich 1736. Da war er noch ein vom Vater gedemütigter, misshandelter Kronprinz, der gern musizierte, las, feierte und dachte. Er erbat sich vom berühmten Voltaire dessen gesammelte Werke. Denn dann „werde ich mich reicher fühlen, als ich es durch den Besitz aller vergänglichen und verachtenswerten Güter des Glücks sein könnte“, schreibt er, lobt euphorisch die „Flamme der Wahrheit“. Er schließt mit „Ihr zutiefst ergebener Freund..., Frederic. P.R. de Prusse“. Der ehrgeizige Erbe eines absolutistischen Reiches bietet unterwürfig seine Freundschaft an, dem stärksten Freigeist aus Paris, der Toleranz lehrt und systematisch Autoritäten untergräbt.

Der König der Philosophen und der Philosophenkönig unterhalten sich und den Hof in Berlin auf höchstem Niveau – das ist intellektuelles Spiel und reales Missverständnis zugleich. Voltaire will auch politisch wirken, das lässt der König nicht zu. Beide wissen das. Ein Höfling habe Friedrich erzählt, schreibt Voltaire, „wie sehr man auf die Gunst, die ich genoss, und meine Stellung neidisch sei. Lassen Sie nur, sagte der König zu ihm, man presst die Orange aus und wirft sie weg, wenn man den Saft getrunken hat. La Mettrie verfehlte nicht, mir dieses schöne Apophthegma zu hinterbringen, das eines Dionys von Syrakus würdig gewesen wäre.“ Friedrich sah sich als „Besitzer von Voltaire“.

Trost bei Selbstmordgedanken

Es folgt die spektakuläre Flucht nach einem Skandal 1753. Voltaire wird in Frankfurt gestellt, festgehalten, bis er ein Manuskript mit Gedichten herausrückt. Eine letzte Demütigung, Monate des Schweigens. Als Friedrich später aber Selbstmord erwägt, richtet Voltaire ihn auf. Gesehen haben sie sich nicht mehr, der Briefverkehr bleibt intensiv. „So ist es denn wahr, Sire, dass die Menschen am Ende doch hellsichtig werden“, schreibt der Greis aus Paris an den alten König.

Und der zweite Grund, Friedrich auch in Paris und Wien zu respektieren? Erdäpfel. Für ihren Anbau in Brandenburg hat sich der große König unermüdlich eingesetzt. Das hat vielleicht ebenso viele Menschen vor dem Hungertod bewahrt, wie in Friedrichs Kriegen verheizt wurden. Noch heute legen Verehrer Kartoffeln auf sein Grab in Sanssouci. Voltaire hätte das sicher amüsiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2012)

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