Die Regierung in Ankara fordert vom französischen Senat die Zurückweisung eines Genozid-Gesetzes, das auch das Armenier-Massaker 1915 betrifft. Türkei hat im Fall einer Zustimmung mit neuen Sanktionen gedroht.
Ankara/Paris/Apa. Kurz vor der Entscheidung des französischen Senats über ein umstrittenes Völkermord-Gesetz hat die Türkei mit neuen Sanktionen gegen Frankreich gedroht. Ein Sanktionspaket für den Fall einer Zustimmung des Senats zu dem Gesetz sei fertig geschnürt, sagte Außenminister Ahmet Davutoğlu am Montag. Er habe am Samstag mit Premier Recep Tayyip Erdoğan über mögliche neue Strafmaßnahmen gesprochen. Erdoğan selbst rief den Senat auf, den Gesetzentwurf zurückzuweisen. Sollte der Entwurf den Senat passieren, werde er nicht mehr nach Frankreich reisen.
Der im Dezember bereits von der Nationalversammlung beschlossene Gesetzentwurf sieht für das Leugnen eines in Frankreich anerkannten Völkermordes eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr und Geldstrafen von bis zu 45.000 Euro vor. Dazu zählt das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917, das in Frankreich seit 2001 als Völkermord anerkannt ist. Armenien und ein Großteil der internationalen Wissenschaft gehen von 1,5 Millionen Toten aus. Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück und setzt die Opferzahl wesentlich niedriger an.
Keine Normalisierung mit Sarkozy möglich
Nach der Entscheidung der Nationalversammlung hatte die Türkei ihren Botschafter vorübergehend abgezogen und die politischen sowie die militärischen Beziehungen zu Frankreich eingefroren. Bei einer Bestätigung des Gesetzes wird nach Medienberichten unter anderem mit einem endgültigen Botschafter-Abzug gerechnet. Erdoğans Berater Ibrahim Kalin unterstrich unterdessen, dass mit dem derzeitigen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy persönlich keine Normalisierung mehr möglich sei. Sarkozy, der sich im März der Wiederwahl stellt, gilt als Gegner eines EU-Beitritts der Türkei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2012)