Die Türkei hofft auf Widerspruch gegen das französische Genozid-Gesetz. Staatspräsident Abdullah Gül sieht den Verfassungsrat am Zug.
Nach der Verabschiedung des umstrittenen französischen Völkermordgesetzes setzt die türkische Staatsführung ihre Hoffnungen auf den Verfassungsrat in Paris. "Ich hoffe, dass mindestens 60 Senatoren den Verfassungsrat anrufen, um diesen Schatten von der französischen Demokratie zu nehmen", sagte Staatspräsident Abdullah Gül nach Berichten türkischer Medien vom Mittwoch. Bereits am Dienstag hatte der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan das Gesetz wütend als ein „Geräusch der Schritte des Faschismus in Europa" und ein „Massaker an der Meinungsfreiheit" bezeichnet.
In Frankreich hatte nach der Nationalversammlung am Montag der Senat ein Gesetz verabschiedet, das die Leugnung von Völkermorden unter Strafe stellt, die in Frankreich offiziell als solche eingestuft worden sind. Darunter fällt auch das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs. Die Türkei bestreitet einen Genozid und hat mit dem Abbruch der Beziehungen und einem Verbot französischer Firmenbeteiligungen in der Türkei gedroht.
Nach scharfer Kritik an dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy hatte die türkische Regierung am Vortag aber darauf verzichtet, angekündigte weitere Sanktionen in Kraft zu setzen. Türkische Zeitungen berichteten dazu, Ankara wolle in der Sache nicht die Unterstützung der französischen Politiker verlieren, die das Gesetz öffentlich kritisiert haben. Der neunköpfige französische Verfassungsrat kann vom Parlament geschlossene Gesetze für verfassungswidrig erklären.
Hintergrund
1915 ließ die osmanische Regierung die Armenier nach Syrien umsiedeln, weil sie angeblich den Feinden im I. Weltkrieg, vor allem Russland, halfen. Die armenische Gemeinde Konstantinopels wurde hingemetzelt, viele starben auf Märschen durch die Wüste. Opferzahl: zwischen 300.00 und 1,5 Mio.
(APA)