Unterwegs in: Mumbai, Stadt der Gegensätze

REUTERS/Danish Siddiqui
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Luxuswohnungen umringt von Wellblechhütten: In der größten Stadt Indiens, der „Stadt aus Gold“ sollte man sich als Europäer auf einen Kulturschock einstellen, berichtet Walter Bödenauer, Senior Expert Real Estate bei der Bank Austria.

1) Nicht vergessen: 3 Dinge, die unbedingt in den Koffer gehören:
Man sollte viel Toleranz und Offenheit für die Kultur sowie Lebensweise der Inder mitbringen und sich auf den größten Kulturschock seines Lebens einstellen.

Für Mumbai braucht es nicht viel an Materiellem: Gute Schuhe, eine kleine Flasche Desinfektionsgel und eine Preistabelle für Taxi- und Auto-Rikschas sind sehr zu empfehlen. Noch ein kleiner Tipp: Schokolade wird als Gastgeschenk sehr geschätzt.

Walter Bödenauer
Walter Bödenauer


2) Der erste Eindruck: Was ist so ganz anders an den Immobilien (Häusern, Straße, Geschäfte, Büros...) als in Österreich? Und was unterscheidet den Immobilienmarkt von unserem?  
Im Ballungsraum Mumbai mit mehr als 20 Millionen Einwohnern gibt es in allen Immobilien-Segmenten riesiges Potenzial: Es gibt Luxuswohntürme mit Meerblick umringt von Wellblechhütten. Obwohl unfassbares Elend im Gegensatz zu ostentativ zelebriertem Luxusleben steht. Trotzdem ist die sogenannte „Stadt aus Gold“ für viele Mumbaikars der beste Platz der Welt, denn sie bietet die Chance des wirtschaftlichen Überlebens und auf Wachstum. Dies spiegelt sich auch in der Dynamik.
Was das Stadtbild und den Immobilienmarkt anbelangt, so bietet sich auch hier ein vollkommen anderes als in Europa. Stadtplanung im bekannten Sinn existiert in Mumbai nicht. Trotz der hohen Bautätigkeit in der Stadt, hinkt die Infrastruktur nach.


In Mumbai sieht man die volle Bandbreite an Immobilien: Vom luxuriösen, privaten Wohnhochhaus um eine kolportierte Milliarde US-Dollar Baukosten bis hin zu den vielen Slums. Die Mittelschicht investiert zuerst in eine neue Eigentumswohnung, denn das stellt den sichtbaren Beweis für den gesellschaftlichen Aufstieg der Familie dar. Preise für Eigentumswohnungen variieren in Mumbai sehr stark nach Lage. Von 14.000 Euro pro Quadratmeter (Brutto!)-Nutzfläche in den südlichen Lagen Walkeshwar, Malabar Hills, Colaba, bis zu 6000 Euro pro Quadratmeter in Juhu (die bevorzugte Wohngegend der Bollywood-Stars) und Bandra West sowie bis zu 600 Euro pro Quadratmeter in den östlichen Vorstädten Ambernath und New Panvel. Gekauft wird in Indien traditionell mit Bargeld oder hohem Eigenmittelanteil, da die Kreditzinsen für Wohnungskäufer derzeit bei rund zwölf Prozent liegen. Obwohl ein Mietvertrag als Alternative durchaus attraktiv erscheint, gilt der Erwerb von Eigentum bei Indern als vorrangig. Dies auch wegen der hohen Inflation von stolzen neun Prozent.


3) Auf den zweiten Blick: Was könnten wir vom Immobilienbusiness dort lernen? Und umgekehrt?
Es gibt für jede Art von Immobilienprojekten Interessenten und Kunden. Für mich ist die beeindruckende Kreativität der Mumbaikars bemerkenswert. Trotz Widrigkeiten wie hoher Kreditzinsen, Korruption, komplizierter gesetzliche Bestimmungen, hoher Grundstückspreise werden - auch im Immobilienbereich - innovative Lösungen gefunden. Und dies ohne jegliches Selbstmitleid und „Raunzen“. Im Ameisenhaufen Mumbai gibt es nur eine Richtung, und die ist nach vorne. Von dieser Einstellung kann man sowohl im privaten als auch im Geschäftsbereich profitieren.

4) Perspektiven: Gibt es Immobilienbereiche, die für österreichische Unternehmen Marktpotenzial haben könnten? Wenn ja, welche?
Chancen für österreichische Unternehmen bestehen überwiegend im Technologietransfer für die Bereiche Müllentsorgung, Umweltschutz, Tunnel-, Bahn- und Brückenbau sowie bei Infrastrukturprojekten. Auch westliche Beton-Schalungstechnologie ist gefragt, angesichts der derzeitigen Sichtbeton-Oberflächen bei indischen Neubauten.
Im Wohnungsbau wird im High End-Segment mit Aufzügen westlicher Firmen, italienischen Fliesen und Design-Innenausbau geworben. Ein Statussymbol der Mittelschicht ist derzeit die Einbauküche.


5) DOS & DON'TS: Was sollte man im Umgang mit lokalen Geschäftspartnern beachten?
Von Ausländern wird jedenfalls Pünktlichkeit erwartet. Die Begrüßung sollte mit höflicher Distanz erfolgen, bei Frauen sind Berührungen tabu. Tief verwurzelt ist das Statusdenken, daher sind Hierarchien unbedingt zu beachten. Die Anzahl der Mitarbeiter oder Helfer untermauert die Wichtigkeit des Geschäftspartners.  Nach erfolgreichem Abschluss einer Transaktion hat man einen Freund gewonnen, und es kann durchaus vorkommen, dass der Geschäftspartner zu sich nach Hause einlädt.
Ein wichtiger Tipp im Umgang mit Geschäftspartnern: Bei wichtigen Treffen sollten man sich einen Helfer  fürs Tragen der Akten organisieren, um statusgemäß behandelt zu werden.


Weitere DON'TS: Obwohl Religion in Indien ein wichtiger Identitätsfaktor ist, fragen Sie nicht aktiv nach der Kastenzugehörigkeit oder dem religiösen Bekenntnis. Im privaten Gespräch wird man bald alles von selbst erklären. Außerdem wird es als höchst unfreundlich erlebt, als Ausländer die Zustände in Indien zu kritisieren. Das erledigen die Inder selbst lautstark und in expliziter Form. Ebenso ein „No-go“ ist es den vermeintlichen Aberglauben, „Andhvishas“, welcher das Geschäftsleben der Inder nach wie vor beeinflusst, zu belächeln.


6) Nicht verpassen: was man auf keinen Fall versäumen darf:
Einen Besuch in einem Sari-Geschäft, eine Bahnfahrt 2. Klasse zur morgendlichen Rush-Hour  und den Besuch einer religiösen Feier mit Umzügen und lauter Musik – das sind Erlebnisse, die man nicht vergessen wird. Ein weiteres besonderes Ereignis ist der Beginn des Monsuns um den 10. Juni. Vom Marine Drive kann man das Schauspiel der Gewitter mit grünen Blitzen und Wassermassen genießen. Dazu die von der drückenden Schwüle erlösten und freudig tanzenden Menschen.

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