Die eingefrorene Republik

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Zum zwölften Jahrestag von Schwarz-Blau kettet Straches Ballausrutscher SPÖ und ÖVP noch enger aneinander. Die ÖVP setzt auf Zeit und signalisiert Härte beim Sparpaket. Die SPÖ fürchtet aber eine Neuwahl.

Wien. Unterirdischer Gang zur Angelobung beim Bundespräsidenten, versteinerte Miene beim damaligen Staatsoberhaupt Thomas Klestil, vor der Hofburg tausende Demonstranten hinter Absperrgittern: Auf den Tag genau vor zwölf Jahren hatte die schwarz-blaue Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel und Susanne Riess-Passer ihren Amtsantritt.

Anders ist im Februar 2012, dass die FPÖ jetzt wegen des Sagers „Wir sind die neuen Juden“ von Parteiobmann Heinz-Christian Strache vor einer Woche beim Burschenschafterball allein im Eck steht. Es ist allerdings keineswegs nur ein politisches Problem für die Freiheitlichen.

Mögliches Druckmittel ist weg

Vizekanzler Michael Spindelegger und die ÖVP wollen bei den laufenden Verhandlungen über einen Schuldenabbau gegenüber den Steuerplänen der SPÖ Härte zeigen. Mit Straches Selbstfaller kommt der ÖVP, die bei der Schuldenbremse demonstrativ ihre intakte Gesprächsbasis zur Schau gestellt und die SPÖ damit nervös gemacht hat, zumindest ein theoretisches Druckmittel auf den Koalitionspartner vorerst einmal abhanden.

Eine Wiederbelebung von Schwarz-Blau ist derzeit kein Thema. Abgesehen davon, dass Spindelegger nach Umfragen ohnehin nur auf dem dritten Platz liegt und ein Platzen der rot-schwarzen Regierung keinesfalls riskieren will. Das wissen auch Bundeskanzler Werner Faymann und die SPÖ. Die Republik ist im Hinblick auf Koalitionen wie eingefroren: SPÖ und ÖVP sind auf Bundesebene zwangsweise aller Voraussicht nach bis zum regulären Wahltermin 2013 aneinandergekettet.

Die ÖVP-Spitze, die mit ihrem Steuerabwehrkampf gegen die SPÖ alle Hände voll zu tun hat, setzt auf Zeit. Intern wurde die Sprachregelung von Spindelegger ausgegeben und die lautet: scharfe Kritik am „Juden“-Vergleich Straches, die Frage nach künftigen Koalitionen stelle sich jetzt allerdings nicht. Wie zu hören ist, sahen aber deklarierte Großkoalitionäre wie ÖVP-Vizechef Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner die Chance, intern ihre Absagen an die Strache-FPÖ zu bekräftigen.

Am weitesten lehnte sich Andreas Khol, Chef des ÖVP-Seniorenbundes, via „Presse“ aus dem Fenster: Für ihn ist Strache als Vizekanzler wie als Kanzler unfähig. Das ist bemerkenswert, weil Khol die FPÖ in den 1990ern noch „außerhalb des Verfassungsbogens“ sah, dann aber mit Jörg Haiders FPÖ in der Position des ÖVP-Klubchefs als selbst ernannter Kutscher mit Schwarz-Blau unterwegs war.

Unmut über „rote Gfrießer“

Mit der Begründung, mit der SPÖ im Jahr 1999/2000 sei keine Regierung möglich, hat Schüssels ÖVP damals das Versprechen, man werde als Dritter in Opposition gehen, gebrochen. Eine derartige Ankündigung gibt es von der amtierenden ÖVP-Spitze nicht. Es gilt aber als offenes Geheimnis, dass eine Reihe von ÖVP-Politikern längst wieder genug von den „roten Gfrießern“ (Copyright Khol) hat und wieder Schwarz-Blau wagen würde.

Umgekehrt hat SPÖ-Chef Faymann den Strache-Ausspruch zuletzt im SPÖ-Vorstand als Bestätigung für sein Nein zu einer Koalition mit der FPÖ genannt. Bei den Sozialdemokraten ist es klar, dass sie eine rot-grüne Koalition nach Wiener Vorbild machen würden, sollte es dafür nach der Wahl eine Mehrheit geben. Rein rechnerisch ist das wegen fehlender Stärke der Grünen derzeit nicht möglich.

Faymann hat allerdings selbst vor der Wahl 2008 bewiesen, dass er zur Durchsetzung eigener Interessen (Aus für Studiengebühren, Antiteuerungspaket) auch gezielt die Hilfe der Freiheitlichen in Anspruch nimmt. Derzeit gibt es einen aufrechten Beschluss des SPÖ-Parteitages gegen eine Koalition mit der FPÖ. Sollte es sich Faymann zwecks Machterhalts für die SPÖ anders überlegen, wird SPÖ-intern mit einer Zerreißprobe bis zur Parteispaltung gerechnet.

Angesichts unsicherer Mehrheitsverhältnisse kommt Bundespräsident Heinz Fischer eine Schlüsselrolle zu. Dieser hat in Interviews schon deutlich gemacht, er würde Strache, selbst wenn die FPÖ den Sprung auf Platz eins bei der Nationalratswahl schaffen sollte, nicht automatisch mit der Regierungsbildung betrauen. Wer den selbst bei weniger heiklen Fragen vorsichtigen Fischer kennt, weiß, dass er solche Aussagen nicht ins Blaue hinein tätigt.

Weil er Strache zuletzt einen Orden verweigert hat, würde sich Fischer im Fall des Falles fragen lassen müssen, warum er Strache dann für ein Regierungsamt zulässt oder ihn mit der Regierungsbildung beauftragt. In Italien wurde als Ausweg und zur Krisenbewältigung mit Mario Monti nach Silvio Berlusconi an der Spitze ein Expertenkabinett gefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2012)

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