UN-Sonderbotschafter fordert: Naschen soll teurer werden

(c) Clemens Fabry
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Ungesunde Produkte sollen mit einer Sondersteuer belegt werden. Außerdem müsse Werbung für ungesunde Nahrungsmittel erschwert werden. Einige Regierungen haben bereits einen Anlauf in diese Richtung gestartet.

Wien/Hie. Die Vereinten Nationen gehen mit der Lebensmittelpolitik der reichen Industrieländer hart ins Gericht: Einerseits würden damit Ernährungsgewohnheiten unterstützt, die zu Übergewicht und Fettsucht führten – was weltweit bereits mehr Todesfälle zur Folge habe als Unterernährung. Gleichzeitig habe die Politik darin versagt, den weltweiten Hunger einzudämmen. Das schreibt Olivier de Schutter, UN-Sonderberichterstatter für Ernährung, in einem aktuellen Bericht. „Das Recht auf Nahrung kann nicht auf das Recht, nicht zu hungern, reduziert werden“, so de Schutter anklagend.

Er fordert daher eine Steuer auf süße Limonaden wie Cola und auf stark fett-, zucker- oder salzhaltige Lebensmittel. Das Geld soll in Kampagnen für gesunde Ernährung fließen und mehr Menschen den Zugang zu Obst und Gemüse ermöglichen. Außerdem müsse Werbung für ungesunde Nahrungsmittel erschwert werden. An Kinder adressierte Werbung für ungesundes Essen müsse stark beschränkt werden.

Einige Regierungen haben bereits einen Anlauf in diese Richtung gestartet. Als erstes Land der Welt führte im Vorjahr Dänemark eine „Fettsteuer“ ein: Sie gilt für Produkte, die gesättigte Fettsäuren enthalten – wie etwa Pizza, Milch und Butter, Fleisch und die meisten Fertiggerichte. Auch US-Präsident Barack Obama dachte bereits laut über eine Steuer auf zuckerhaltige Limonaden nach.

Staaten hätten die Pflicht, ihren Bürgern eine angemessene Ernährung zu ermöglichen, stellt de Schutter fest. So, dass sie ein gesundes und aktives Leben führen können. Oft sei es aber umgekehrt: Ungesundes Essen und süße Getränke seien billiger als frische Produkte. So würden die Armen dafür bestraft, dass sie arm sind.

Falsche Agrarsubventionen

Die Wurzel dieses Übels sind laut dem UN-Sonderbotschafter die milliardenschweren Subventionen, die die reichen Industrieländer Jahr für Jahr an ihre Agarindustrie ausschütten. „Die Steuerzahler zahlen dreimal für ein System, das eine Anleitung zum ungesunden Leben ist“, heißt es in dem Bericht.

Diese fehlgeleiteten Förderungen ermutigten die Agrarindustrie, industriell erzeugte Nahrungsmittel zu verkaufen, anstatt Obst und Gemüse zu niedrigeren Preisen zur Verfügung zu stellen. Die Agrarindustrie, so de Schutter, werde dafür bezahlt, ungesunde Lebensmittel zu verkaufen. Gleichzeitig litten die Gesundheitssysteme derselben Länder unter der Flut an Krankheiten, die aus falscher Ernährung entstünden. Das derzeitige Fördersystem müsse daher überarbeitet werden, fordert de Schutter.

Opfer dieser falschen Förderpolitik seien nicht zuletzt die Entwicklungsländer, wo Fehl- und Unterernährung nach wie vor die größten Probleme seien. Diese Länder importierten zunehmend industriell erzeugte Lebensmittel, gleichzeitig verabschiedeten sich die Menschen von ihren traditionellen Ernährungsgewohnheiten. Das gehe zulasten der lokalen Bauern, die immer weniger von der Landwirtschaft leben könnten.

Und auch Krankheiten, die durch falsche Ernährung entstehen, seien nicht mehr auf die reichen Länder beschränkt: Heute würden in armen Ländern jährlich 3,8 Millionen Menschen unter 60 Jahren an solchen Krankheiten. Bis 2030 werde diese Zahl auf 5,1 Millionen steigen.

Auf einen Blick

Die Lebensmittelpolitik der reichen Industrieländer habe versagt. Das ist das Fazit eines Berichts des UN-Sonderbotschafters für Ernährung, Olivier de Schutter. Mit milliardenschweren Agrarsubventionen werde die Agrarindustrie dafür bezahlt, ungesunde Lebensmittel zu verkaufen. Ungesunde Produkte müssten höher besteuert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2012)

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