"Kredit" für Jungjuristen umstritten

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Wiener Anwälte distanzieren sich vom Vorschlag ihrer Bundesvertretung. Denn Schulden müssten zurückgezahlt werden – gelinge das nicht, bestehe die Gefahr, dass die Karriere von Anfang an „versaut“ sei.

Wien/Aich/Apa. Die Justiz kämpft weiterhin gegen das verkürzte Gerichtsjahr: Es gebe nun „große Probleme beim Auswahlverfahren für den richterlichen Nachwuchs“, sagte am Montag die Präsidentin des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen, Marlene Perschinka. Auch für die Jungjuristen selbst sei die kurze Ausbildung unbefriedigend.

Ähnlich äußerte sich Peter Hadler, Präsident des Handelsgerichts Wien: Die Rechtspraktikanten seien als Systemerhalter nötig.Das Gerichtsjahr, das jeder Jurist nach Ende seines Studiums absolvieren darf, dauert seit vergangenem Juli nur mehr fünf statt neun Monate. Der monatliche Verdienst reduzierte sich zudem von 1274 auf 1035 Euro brutto. Durch diese Maßnahme will die Politik fünf Millionen Euro im Jahr sparen. Neben den Richtern fordern auch die Anwälte ein Zurück zu neun Monaten Gerichtsjahr.

Der Präsident des Rechtsanwaltskammertags, Rupert Wolff, hatte im „Presse“-Rechtspanorama (Montag-Ausgabe) deswegen ein neues Modell vorgeschlagen: So könnten der Staat oder auch die Anwaltskammer Jungjuristen die Ausbildungskosten über den fünften Monat hinweg bezahlen. Die Summe sollen die Juristen erst zurückzahlen, wenn sie später im Anwaltsberuf gut verdienen. Der Wiener Anwälte-Präsident, Michael Auer, sieht diese Idee aber kritisch: „Das ist ein amerikanisches System, wir müssen uns gut überlegen, das einzuführen.“ Denn Schulden müssten zurückgezahlt werden – gelinge das nicht, bestehe die Gefahr, dass die Karriere von Anfang an „versaut“ sei. Zudem müsste man später die Gehälter der Juristen erhöhen, damit diese ihre Ausbildungskosten zurückzahlen können, so Auer.

Belastung für Bezirksgerichte

Perschinka warnte auch vor einer „erheblichen Mehrbelastung“ für die Bezirksgerichte durch die von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) geplante Reform. Demnach sollen Bezirksgerichte künftig bis zu einem Streitwert von 25.000 Euro (bisher 10.000) zuständig sein. Damit würden viele Fälle von den Landes- zu den Bezirksgerichten wandern, sagte Perschinka. So seien in ihrem Landesgericht 60 Prozent der Fälle unter der 25.000-Euro-Grenze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2012)

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