Die Finanzminister stimmten einer Aufstockung des Rettungsschirms zu. Finanzministerin Fekter sorgte bei Euro-Gruppen-Chef Juncker für Unmut.
Kopenhagen/Ag./Aga. Die wochenlangen Spekulationen über das Ausleihvolumen des dauerhaften europäischen Rettungsschirms ESM sind zu Ende: Am gestrigen Freitag einigten sich die Eurofinanzminister im Vorfeld eines informellen Ecofin-Rats in Kopenhagen überraschend schnell auf einen Schutzwall für angeschlagene Länder in der Höhe von 800 Milliarden Euro, wie Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) noch während der laufenden Verhandlungen erklärte.
Diese Zahl sei „außer Streit gestellt“. Sie setzt sich zusammen aus jenen 500 Milliarden Euro, die an „frischem Geld“ für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bereitstehen. Dazu kommen Gelder aus dem ESM-Vorgänger EFSF in Höhe von 200 Milliarden Euro, die an Portugal, Griechenland und Irland vergeben wurden und künftig von den Ländern an den ESM zurückfließen sollen. Weitere 53 Milliarden Euro stammen aus bilateralen Krediten des ersten Griechenland-Hilfsprogramms, und 60 Milliarden Euro aus dem von allen 27 EU-Staaten finanzierten Notfallfonds EFSM. Die 240 Milliarden Euro noch nicht verwendeter Gelder aus dem EFSF können notfalls als „Puffer“ dienen. Bis Mitte 2013 soll der EFSF parallel zum ESM laufen.
Juncker über Fekter erzürnt
Am Rande des Treffens sorgte eine Verstimmung zwischen Fekter und Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker für Aufregung: Das Vorpreschen Fekters bei der Bekanntgabe der Ergebnisse noch während der laufenden Sitzung hatte Juncker dermaßen erzürnt, dass er eine geplante Pressekonferenz kurzerhand absagen ließ. Fekters Sprecher bestätigte, dass es eine „Verstimmung“ gegeben habe und Fekter sich bei Juncker entschuldigen musste. Dieser begab sich dem Vernehmen nach beleidigt in sein Hotel, um den Ärger auszuschlafen.
Offenbar wollte Fekter die Erste sein, die der Welt die freudige Botschaft mitteilt. Denn in den vergangenen Wochen hatte es beinahe täglich neue Spekulationen gegeben, auf welchem Weg und in welcher Höhe das Ausleihvolumen des ESM vergrößert werden könnte. Berlin sträubte sich monatelang überhaupt gegen eine Erhöhung; und zuletzt sorgte der französische Finanzminister François Baroin für eine Überraschung. Er forderte am Donnerstag einen Mega-Schutzwall in Höhe von einer Billion Euro.
Am selben Abend bremste der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble während einer Diskussionsveranstaltung in der Kopenhagener Universität: Er halte „gar nichts davon, die Märkte mit immer neuen Beträgen zu verunsichern“. 800 Milliarden Euro seien überzeugend und ausreichend, um die Ansteckung zu bekämpfen und die Stabilität zu schützen. Sein Wort hat in der Eurozone nicht nur deshalb das stärkste Gewicht, weil er der Vertreter der größten Wirtschaftsnation ist. Schäuble ist zudem der aussichtsreichste Kandidat für die Nachfolge von Euro-Gruppen-Chef Juncker, der sein Amt mit Juni niederlegt.
Wer übernimmt ESM-Vorsitz?
Schon beim letzten EU-Gipfel Anfang März hatten die Euroländer beschlossen, dieses Jahr zwei von insgesamt fünf Tranchen an Bareinzahlungen in Höhe von 80 Milliarden Euro an den ESM zu leisten – die erste im Juli, die zweite im Oktober. Die nächsten beiden Zahlungen sind für 2013 vorgesehen. Österreich zahlt 2,23 Milliarden Euro bar ein, also etwa 900 Millionen noch in diesem Jahr. Zudem gibt Österreich 17,3 Milliarden Euro an Garantien ab, das sind 2,8 Prozent der Gesamtsumme des Rettungsschirms.
Nun muss noch geklärt werden, wer den Posten des ESM-Vorsitzenden übernimmt. Im Gespräch sind EFSF-Chef Klaus Regling und der Chef der Europäischen Investitionsbank (EIB), Werner Hoyer.
Fekter sprach sich am Samstag für einen Staatschef an der Spitze der Währungsunion aus. Sie selbst habe keine Ambitionen auf das Amt. Angesprochen auf die Meinungsverschiedenheiten meinte sie, dass sie sich mit "Juncker ausgezeichnet verstehe".
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2012)