Der Friedensvertrag von Dayton hat keine funktionalen Institutionen geschaffen. Letztlich läuft alles auf den einen Grundkonflikt hinaus.
Wien/Hd. Es war eine schallende Ohrfeige für Bosnien und Herzegowina: Im Jänner beschloss die Kosovo-Kontaktgruppe in Wien, die internationale Überwachung der 2008 verkündeten Unabhängigkeit von Serbiens Exprovinz mit Jahresende auslaufen zu lassen. Nach knapp fünf Jahren.
Bosnien und Herzegowina steht seit 1996 unter internationaler Überwachung, und zumindest die letzten drei Hohen Repräsentanten drückten jeweils die Hoffnung aus, der Letzte seiner Art zu sein. So auch der derzeitige Amtsinhaber, der Österreicher Valentin Inzko. Die Schließung seines Büros würde aber halbwegs funktionale Institutionen voraussetzen, und davon kann auch nach mehr als 16 Jahren keine Rede sein.
Serben drohen mit Abspaltung
Nicht zuletzt durch die Bestimmungen des Vertrages von Dayton, der zwar den Krieg beendete, aber ein sklerotisches System von wechselseitigen Blockademöglichkeiten schuf, deren sich gerade die bosnisch-serbische Seite immer wieder gerne bediente.
Letztlich läuft alles auf den einen Grundkonflikt hinaus: Während die Bosniaken und ein beträchtlicher Teil der Kroaten den Zentralstaat stärken wollen, zielen Bosniens Serben, allen voran ihr Präsident Milorad Dodik, auf eine Schwächung und letztlich Aushöhlung dieses Gesamtstaates, um diesen letztlich überflüssig zu machen. Dabei machten sich die bosnischen Serben zuletzt sogar immer stärker zum Fürsprecher einer Aufwertung der bosnischen Kroaten bis hin zu einer eigenen Entität, was letztlich wiederum auf die Zerstörung des Gesamtstaates hinausliefe. Regelmäßig droht Milorad Dodik auch mit einem Referendum zur Abspaltung des serbischen Landesteiles. Ein solches Referendum würde freilich dem Vertrag von Dayton zuwiderlaufen und müsste von Inzko verboten werden.
Einen eindrucksvollen Beweis für die Uneinigkeit der Volksgruppen lieferte der Umstand, dass erst Anfang Jänner – nach 15 Monaten Tauziehen um die zu bildende Regierung – ein neuer Premierminister ernannt werden konnte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2012)